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588 Psychische Studien, XXVI. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1899.)
Spaziergang* an den Grenzen der übersinnlichen
Welt
betitelte sich ein (bei Halbwissern Aufsehen erregender)
Artikel, den die „Akademischen Mitteilungen44 (Wochenschrift
für die technischen Hoehsehulei» des deutschen
Reiches) in ihrer Nr. 6 brachten, worauf in den „Münch.
Neuesten Nachrichten44 unter der Ueberschrift: „Physik
und übersinnliche Welt" von einem Physiker eine Zuschrift
erschien, die folgenden Wortlaut hat: Die Triumphe
der Naturwissenschaft in diesem Jahrhundert gaben derselben
volle Autorität in der Entscheidung streitiger Fragen
auf dem Gebiete der Mechanik der Ponderabilien; so ist
z. ß. der Nachweis ein für allemal erbracht, dass die
Möglichkeit eines mechanischen „perpetuum mobile" ausgeschlossen
ist. Nicht in demselben Masse darf indessen
der Physik das Recht zugesprochen werden, in jedwedem
anderen Theilgebiete der Naturbetrachtung endgiltige Entscheidung
zu treffen, weil hier das Wesen der Erscheinung
nicht ohne Weiteres mit der physikalischen Vorstellung von
derselben identifizirt werden darf; es ist daher die Verallgemeinerung
der unbedingten Autorität der Naturwissenschaft
von Seiten eines Fachmannes nur unter der Bedingung
verständlich, dass derselbe alle physikalischen Erscheinungen
auf Atombewegung zurückführen zu können glaubt. Gegen
eine solche Auffassung der Naturwissenschaft erhoben schon
wiederholt Gelehrte Bedenken und ganz bezeichnend sagt
Professor Dr. E. Mach in einer seiner populär-wissenschaftlichen
Vorlesungen: „So erklärlich es auch ist, dass man
bestrebt war, alle physikalischen Vorgänge auf Bewegung
der Atome zurückzuführen, so muss man doch sagen, dass
dies ein chimäres Ideal ist. Dasselbe hat in populären Vorlesungen
oft als effektvolles Programm gedient. In dem
Arbeitsraum des ernsten Forschers hat es kaum eine wesentliche
Funktion gehabt.4*
Der wissenschaftlich Gebildete muss sich ja doch immer
klar sein, dass wir in der Naturwissenschaft durchwegs mit
Bildern aus der Mechanik der Ponderabilien arbeiten und
recht zufrieden sind, wenn mit einem mechanischen Analogon
komplizirte Erscheinungen heterogener Gebiete plausibel
gemacht werden können und man so in Stand gesetzt wird,
die Vorgänge aus längst Bekanntem mühelos aufzubauen.
Es handelt sich dabei darum, dass die zu Grunde gelegten
Bilder die Vollerscheinung möglichst erschöpfend
reproduziren; in der Ausbildung derartiger Hilfsvorstellungen
spielt die geistige Wirtschaftlichkeit die Haupt-
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