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Kurze Notizen. 595
ersuchten das Waag-Neustadtler Oberstuhlrichteramt, eine
Untersuchung in dieser räthselhaften Angelegenheit einzuleiten.
f) Ein neuer Spuk. Die Nr. 188 der „Neuen Aügsb.
Zeitung" berichtet aus Rom, 14. August: „In Turin ist ein
Spuk entdeckt worden. Es ist unglaublich, aber wahr: es
spukt in Turin in Via Monferrato Nr. 4. Zwar regnet es
dort noch keine Kartoffeln und Bratpfannen wie seiner Zeit
in Resau, aber die Erscheinung ist geheimnissvoll genug, um
die ganze Nachbarschaft in Schrecken zu setzen. Sie besteht
in einem durchdringenden heulenden Pfeifen, welches
seit dem 2. d. M. wiederholt von allen Bewohnern und einigen
Nachbarn gehört worden ist, ohne dass jemand angeben
kann, woher es kommt. Als das schreckliche Geräusch zum
ersten Mal gehört wurde, am 2. August halb 2 Uhr Nachmittags
, sollen auch sichtbare Erscheinungen damit verbunden
gewesen sein, die allerdings individuell sehr verschieden
bemerkt wurden. Drei Knaben, die während des Geräusches
im Treppenhause spielten, sahen folgende verschiedene Dinge:
der eine eine lange Reihe von bärtigen Gesichtern, der andere
eine grosse Zahl von Hörnern, der dritte einen Koffer, der
von selbst die Treppe herunter kam, sich unten öffnete, ein
weisses Kaninchen und eine Kugel ausspie und dann verschwand
: Kaninchen und Kugel sind natürlich auch verschwunden
. Bei den Phantasiegebilden der Knaben braucht
man sich nicht lange aufzuhalten, aber das heulende Pfeifen
wiederholte sich noch öfter, so dass schliesslich die Polizei
davon in Kenntniss gesetzt wurde. Es kam auch ein Schutzmann
, der seine Thätigkeit damit begann, dass er den auf
dem Hof versammelten Einwohnern folgende Drohrede hielt:
„Was ist das für eine Spukgeschichte? Der Spassvogel soll
sich in Acht nehmen, er hat es mit mir zu thun, und mit
mir scherzt man nicht 1" Soweit war er gekommen, da tönte
das Heulen von Neuem und greulicher als je; der Schutzmann
erblasste und wagte seine Rede nicht zu vollenden.
Am Tage nach dem Besuch des Schutzmannes wurde der
unheimliche Ton nicht gehört, aber aufgeklärt ist seine
Herkunft noch nicht.tf
g) Die Sage vom Geisterschiff. Die Legende
vom „fliegenden Holländer", die Sagen vom Todtensehiff
des Seeräubers und von anderen Geisterschiffen sind nicht
das geistige Eigenthum einer einzelnen Nation oder einer
bestimmten Gegend, sondern sie sind an allen Küsten des
Orients sehr verbreitet. Die französische Form der Sage
vom Geisterschiff giebt eine Pariser Zeitung nach der
Erzählung französischer Seeleute folgendermassen wieder:
Ein gottloser Kapitän, dessen Schiff in der Nähe des Kaps
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