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Bohn: Der Begriff des Supernormalen in der Psychologie. 625
indischer Philosophie ausgebaut worden. Sie hat sich dabei
bedauerlicher Weise, aber konsequent, in scharfen Gegensatz
zu der objektiven Porschungsmethode der modernen
Wissenschaft gesetzt.
Es bedarf wohl kaum des Hinweises, dass sich der
Inhalt dieses Begriffes mit dem Gebiete des Supernormalen
keineswegs deckt. Er involvirt den Thatsachen Eigentümlichkeiten
, die nicht in ihnen liegen. Im übrigen ist er ebenso
rückgratslos und verschwommen, wie seine „okkulten** und
„magischen" Freunde.
Einen weit grösseren Anspruch auf Daseinsberechtigung
scheinen die Worte „metaphysisch", „transscendent"
und „transseenden tal" zu haben. Sind sie doch
Schöpfungen zweier Fürsten der Philosophie: Aristoteles9 und
Kanfs. Aber ihre Schöpfer verstanden etwas ganz anderes
darunter, als wir unter dem Supernormalen, und es scheint
mir von vornherein gewagt, in sie einen anderen Sinn hinein
zu tragen, als darin liegt.
Für die Bezeichnung der ,;spiritistischen, mediumistischen,
telepathischen und verwandten Phänomene" als metaphysisch ist
Schrenck-Notzing (Enquete S. 39) eingetreten. In seinem Aufsatze
über „Methodik bei mediumistischen Untersuchungen"
hat er übrigens von dieser Bezeichnung keinen Gebrauch
gemacht. Seine Ansicht motivirt er in der Enquete damit,
dass das Wort Metaphysik „über die Erklärbarkeit gewisser
Erscheinungen nichcs aussagt, und doch dabei andeutet, dass
diese Erscheinungen vorläufig in ihrer Ursache über das
hinausgehen, was wir im allgemeinen mit den Sinnen wahrnehmen
." Diese Ansicht ist irrthümlich,
Metaphysik ist die Wissenschaft von dem, was hinter
der Sinnen- und Erfahrungswelt liegt. Sie ist im Gegensatz
zur Physik — der empirischen Naturlehre — eine philosophische
Naturlehre. Begriffe wie Gott, Ding-an-sich,
Kausalität, also Unerfahrbares, ferner aber auch der
Aether, also Unerfahrenes, sind metaphysisch. (Maack,
Zeitschrift für Okkultismus, S. 4.) Maack unterscheidet daher
absolute und relative Metaphysik. Im Sinne der relativen
Metaphysik wären unter vielen anderen auch die supernormalen
Realitäten metaphysisch. Aber diese Bezeichnung
empfiehlt sich keineswegs. Sie ist viel zu weit. Wenn ich
allgemein von metaphysischen psychischen Erscheinungen
spreche, so wird kein Mensch verstehen, was ich darunter
meine, sondern nach seinem individuellen Geschmack dies
oder jenes darunter einbegreifen. Für manche sind noch
die Gedanken metaphysisch, für andere alle psychischen
Realitäten überhaupt, und so wird sich jeder bei dieser
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