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626 Psychische Studien. XXVI. Jahrg. 11. Heft. (November 1899.)
Bezeichnung nur das denken, was er, nicht was ich will.
Sodann würde sie zu Verwechselungen mit der absoluten
Metaphysik und damit zu dem Verdacht führen, jene Vorgänge
seien un er forschbar. Hiervon kann aber gar
nicht die Rede sein.
Das Wort ^Metaphysisch" hat einen viel zu philosophischen
Beigeschmack. Es ist aber grundfalsch, die
experimentelle Psychologie mit philosophischen Spekulationen
zu verquicken. Es kann sein, dass in ihrem Ergebniss
die Philosophie eine Stütze findet. Für das Experiment
ist diese Möglichkeit vorläufig bedeutungslos.
Das gilt auch von den Bezeichnungen transscendent
und transscendental. Kuhlenbeck (Enquete S. f»0) schlägt
vor, für Phänomene, „die unmittelbar zur Annahme einer
übersinnlichen Kraft nöthigena — er führt als Beispiele
Hellsehen, Zweites Gesicht, Telepathie und den sogenannten
Spiritismus auf — die Bezeichnung „empirische
Transscendental-Psychologie" einzuführen. Aufgabe dieses
Wissenszweiges wäre die Feststellung von Thatsachen, die
mit den Daten der physiologischen Psychologie vorläufig
nicht empirisch erklärbar sind, sondern die ein direkt
übersinnlich empfindendes oder wirkendes Subjekt fordern.
Nun versteht man nach Kant unter transscendent*) das,
was die durch die Natur des erkennenden Wasens gegebenen
Grenzen der Erkenntniss übersteigt. Dass dieser Begriff der
Annahme eines empirisch- cransscendenten schnurstracks
zuwiderläuft und darum für unser Gebiet völlig ungeeignet
ist, räumt Kuhlenbeck ein. Er konstruirt also einen neuen Begriff
des Empirisch-Transscendentalen und versteht darunter
„Alles, was nicht direkt sinnlich wahrnehmbar ist, sondern
aus anderer sinnlicher Wahrnehmung durch Anwendung
unseres logischen Vermögens erschlossen werden kann." Ihm
ist demgemäss auch die Thatsache, dass sich die Erde um
die Sonne dreht, transscendental.
„Psychologische Phänomene nun, die unmittelbar über
den sinnlich wahrnehmbaren Organismus hinaus auf einen mit
keinerlei normal-sinnlichen Mittein empirisch zu machenden
Träger deuten, wüiden in Ansehung ihrer selbst zwar
empirisch, in Ansehung ihrer unmittelbaren Ursache aber
transscendental sein.a
Man wird von vornherein zugeben müssen, dass es
bedenklich ist, den Jfanf'schen Begriff in seinem Inhalte zu
*) Kant unterscheidet zwischen transscendent und transscendental,
hält aber de facto den Unterschied nicht immer fest. Auch du Prel
trennt den Begriff des Transseendenten von dem des Transseendentalen.
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