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Speck: Die Möglichkeit rationeller Theorien über Ähnungen. 674
wir Willen nennen, ein für einen anderen Intellekt direkt
aufnehmbares synthetisches Bild von Vorgängen erzeugt,
die sehr viel verwickelter sind und im, oder durch den
Organismus der Person bestimmt werden?
Ich beeile mich hinzuzusetzen, dass die Hypothese, so,
wie ich sie eben auseinander gesetzt habe, nicht bis zu der
Annahme geht, dass alle physikalischen Erscheinungen von
Bewusstsein und Willen begleitet sind. Das ist von einigen
Philosophen angenommen worden und bei ihnen hätte keine
Ahnung unmöglich scheinen können. Wir dagegen haben
nicht noth wendig, so weit zu gehen; wir brauchen der
unorganischen Welt weder ein Bewusstsein, noch etwas dieser
irgend wie Analoges zuzuschreiben. Uns genügt die etwas
unbestimmtere Hypothese, dass es ausser den physikalischen
und Bewusstseinserscheinungen noch irgend eine andere
Klasse von Vorgängen giebt, welche die psychischen, an sich
augenscheinlich nicht bewussten Erscheinungen begleitet,
und die, wie die Erscheinungsreihe des Bewusstseins, die
Eigenthümlichkeit hat, uns direkt auf die Zukunft bezügliche
Kenntnisse liefern zu können, der es ebenfalls möglich ist,
in der Gegenwart Vorstellungen der Zukunft zu enthalten
und sie unmittelbar dem menschlichen Geiste zu übermitteln.
Wenn wir uns auf den Standpunkt des modernen
Monismus stellen, welcher leugnet, dass die physikalischen
und psychologischen Phänomene zwei verschiedenen Erscheinungsreihen
angehören, und sie vielmehr als zwei
verschiedene Anschauungsweisen der gleichen Vorgänge
betrachtet, so gewinnt unsere Hypothese ein weniger
kühnes Aussehen, denn sie braucht dann nicht mehr ausser
den physikalischen und psychologischen Prozessen eine dritte
Klasse von Vorgängen zu Hülfe zu nehmen, sondern sie
kann sich darauf beschränken, die Existenz einer dritten
Anschauungsweise der Welt zur Erklärung heranzuziehen.
Diese dritte Klasse von Vorgängen, oder diese dritte
Anschauungsweise könnte vielleicht dazu dienen, uns den
Grund anzugeben, nicht nur für die Phänomene der Ahnung,
sondern auch für diejenigen, welche Myers die der
Retrocognition nennt, welche in Wahrnehmungen von Vergangenem
bestehen, die man nicht durch das individuelle
Gedächtniss erklären kann *) In der That, wie die psychologische
Reihe in der Form von Erscheinungen die Bilder
von vergangenen Ereignissen aufbewahrt, welche in unserem
*) Diese würden sich indessen immer durch das atavistische Gedächtniss
und durch die Ueberlieferung erklären lassen, die, ohne dass
wir etwas davon ahnten, auf telepathischem Wege übertragen sein könnte.
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