Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
26. Jahrgang.1899
Seite: 678
(PDF, 195 MB)
Bibliographische Information
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678 Psychische Studien. XXVI. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1899.)

Nächstenliebe und Feindesliebe, was dasselbe
sagen will, zu sprechen. Die Luther-Bibel hat für zwei sehr
verschiedene griechische Zeitwörter: cpiXeTv — amare und
ayaxav = diligere dieselbe deutsche Uebersetzung: lieben.
PiZetv, von dem auch <pvXrmay der Kuss kommt, drückt die
sinnliche Liebe und seelische Sympathie aus, wie sie zwischen
Gatten, Blutsverwandten und Freunden besteht, oder bezieht
sich auf Dinge, die der Eigenliebe schmeicheln, wird auch
wie das französische: aimer mieux, etwas gern thun, gebraucht
. Niemals aber bezeichnet piZtXv und <piMa die
Gottes-, Nächsten- und Feindesliebe, sondern da finden wir
durchgehends das Zeitwort aya%äv% das Hauptwort
äydjtrj^ was ehrfurchtsvolle Achtung, geistige Werthschätzung
bedeutet. Schon die Etymologie von äyajtav deutet darauf
hin: ayav, aydoi, äyafcac — bewundern, verehren. Durch
die Erschliessung der Gotteskindschaft Luc. 9, 55: „Wisset
ihr nicht, welches Geistes Kinder ihr seid?" führt Jesus
den Menschen zur wahren Selbsterkenntniss, Selbsteinschätzung
, Selbstliebe (nicht Eigenliebe, d. h. nicht die
Liebe zu dem mir allein Eigenen, nicht zu dem, was mich
also von den Anderen unterscheidet), welche, indem sie
den Menschen in seinem tiefsten Wesensgrunde erfasst,
das: tat twam asi, die Wesensidentität aller Menschen
erkennen lässt und dadurch die wahre Selbstliebe, das
Kindschaftsbewusstsein, wie zum Verständniss der wahren
Gottesliebe, so zum Maassstab der Nächsten-, also auch
Feindesliebe macht. „Alles nun, was ihr wollt, damit es
euch die Leute thun, das thut ihr ihnen,a Matth. 7, 12.
Ohristenthum ist, auf die letzte Formel gebracht, die Selbstliebe
, welche ihre alleinige Bethätigung und Auswirkung in
den thatsächlichen Beziehungen zu unseren Mitmenschen
findet. Nächstenliebe, die ja die Feindesliebe in sich
schliesst, ist also die Praxis der Selbstliebe, welche
mit der Gottesliebe, als der Liebe zu dem wesensgleichen
Urgründe identisch ist, sie bedingen einander, die eine ist
ohne die andere nicht möglich noch denkbar. So unmöglich
und unpsychologisch die Feindes-, ja die allgemeine
Menschen-„Liebe" wäre, so wenig vermöchten wir auch Gott
zu „lieben", sondern auch nur richtig werthzuschätzen und
demgemäss als das höchste Gut und unseres Lebens Quell,
Halt und Ziel zu verehren, mit Bewusstsein und Hingebung
in ihm zu leben, zu weben, zu sein Act. 17, 28: „Wir sind
seines Geschlechts." Also im Nächsten, ob Freund ob Feind,
den Menschen sehen, den wir uns selber wissen, d. i. einen
individuell differenzirten Gottesgeist, der als solcher dieselben
Interessen hat wie ich selbst: das ist wahrlich weder


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