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Didier: Ein spiritistischer Kneipabend in der Sommerfrische. 697
IIL Abtheilung*
Tagesneuigkeiten, Notizen u. dergl.
Ein spiritistischer Kneipabend in der
Sommerfrische.
Der vorjährige Sommer (1898) bot den Erholungsbedürftigen
nur wenige Abende, an denen sie bis zum
Dunkelwerden die frische, würzige Waldluft geniessen
konnten. Sein Blick war trübe, wie die Romandichter sagen,
und sein grünes, blumengeschmücktes Kleid, war regen-
durchnässt — kein Wunder also, wenn er da launisch drein
schaute. Der Kurmensch ist in der Regel Grossstadtmensch
— obwohl es auch unter den Kleinstädtern recht debile
Erscheinungen giebt, wie ich in diesem Jahre wieder deutlich
gesehen habe — er hat es deshalb nicht sonderlich schwer,
die verregneten Abende im Zimmer bei Lampenschein
zuzubringen; noch dazu, wenn sich ein paar gute Freunde
finden, die den Stoff zu einer lebhaften Unterhaltung mitbringen
. Aehnlich ist es mir ergangen. Das schlechte Wetter
lag mir bisweilen gar arg in den Gliedern, und manchmal
musste man den Wintermantel anziehen und den Ofen einheizen
lassen. — ♦
... Wir sassen etwa fünf Personen am runden Tisch
im Gasthaus zum „Goldnen Löwen" zu A...a, den die
liebenswürdige Frau Wirthin, Loth mit Namen, würdig des
grossen Namens und seines Symbols, aufs trefflichste verwaltet
, als es draussen mit „Giesskannen" regnete oder wie
die Leute in Paris sagen „tombaient des vaehes." Der
Landgerichtsrath E. war in das griechische Alterthum zurück
geeilt und wir bewunderten den greisen» Herrn mit den
vielen „Schmissen" ob seiner wohlkonservirten Kenntniss
der schönen Sprache musenreicher Phäaken. Als er sich
erschöpft hatte, Hess der ewig heitere Bürgermeister, dessen
herkulische Gestalt mir in ewiger Erinnerung bleiben wird,
einige Dutzend zum Theil funkelnagelneue Witze los; aber
aus Anstand und Dankbarkeit mussten wir dann auch über
die älteren Auflagen lachen. Plötzlich nahm die Unterhaltung
eine ernstere Wendung. — Der neue Herr Oberamtsrichter,
der vor einigen Tagen aus dem nahen Weida hierher versetzt
worden war, mischte sich in gefälligster Form in die
Gespräche, und Alle waren gespannt auf die Worte, welche
die „reine Vernunft", das „inkarnirte Rechtsbewusstsein"
eines ganzen Bezirks im Grossherzogthum Weimar, der
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