Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
27. Jahrgang.1900
Seite: 2
(PDF, 212 MB)
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2 Psychische Studien» XXVII. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1900.)

Dieser Vorgang ist ein durchaus natürlicher und nicht so
selten als man glauben möchte, denn auch unter gewöhnlichen
Umständen, z. B. im Schlafe wird der Körper bisweilen
von der Seele vorübergehend verlassen, die hier nur
nicht eine so weite Eeise macht wie die Seele Christi.

Es fragt sich nun, was es ist, was wir unter „Seele"
zu verstehen haben. Bevor ich meine eigene, sehr abweichende
Ansicht darüber ausspreche, möchte ich zunächst einige
fremde Anschauungen über dieses problematische Thema,
das die verkehrtesten Erörterungen gefunden hat, vorausschicken
. In einem interessanten Ajifsatze Rudolf Kleinpaul'8
über die „Erscheinungen der Seele" heisst es u. a.: „Leben
und Tod zu vermengen; der Welt abzusterben, um ewiglich
zu leben; das Grab als ein Paradiesthor und den Todestag
als den wahren Geburtstag zu betrachten! das ist christliche
Philosophie. Wenn wir geboren werden, so leben wir noch
nicht recht, wir müssen erst wieder geboren werden; und
auf das Leben folgt das Leben, wenn wir erst einmal todt
sind. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich
stürbe. Daher in den Katakomben den Todten fort und
fort empfohlen wird — zu leben: Vivas in Deo! Z^daic ev
EvqLco ! — heisst es auf Gräbern, wie anderwärts: Leb' wohl!

Es giebt aber auch ein Wort, das auf das Diesseits
und das Jenseits gleichmässig zu passen scheint, nämlich
das Wort „Seele." Denn einerseits sprechen wir von den
Seelen der Verstorbenen, der Abgeschiedenen, andererseits
fragen wir: wie viele Seelen hat ein Kirchspiel? Das scheint
ein vollkommener Widerspruch zu sein, geheimnissvoll für
Kluge wie für Thoren, so doppel- und gegensinnig wie das
Wort „bleiben", das sowohl „am Leben bleiben", als auch
„in der Schlacht bleiben" heisst. Und doch muss es zwischen
diesen zweideutigen Begriffen eine Brücke geben, auf welcher
auch die Seelen gehen und wie im Thaie Josaphat vom
Leben zum Tode gelangen. Denn Nichts heisst umsonst so
wie es heisst und die Antiphrasis ist veraltet." —

Unter den werthlosen Etymologien, die von den Stümpern
der Wortdeutekunst mit unermüdlicher Ausdauer vorgebracht
werden, befindet sich auch eine neuere, nach der die Seele
mit der See zusammen hängen soll. „Bei dem Worte Seele",
sagt Freytag in den Bildern aus der deutschen Vergangenheit
, „sah der Deutsche noch das rastlose Wogen der
bewegten See vor sich, welcher er die unablässig arbeitende
Gewalt seines Inneren verglich." Dergleichen poetische Einfälle
haben wohl die Deutschen der Gegenwart, aber nicht
die Deutschen der Vergangenheit gehabt. Die Etymologie
des Wortes Seele ist ausserordentlich einfach, und man
muss sich wundern, dass noch Niemand darauf gekommen


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