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36 Psychische Studien. XXVII. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1900.)
überbrückt werden kann. Es kann demnach^Telepathie ebenso
gut auftreten zwischen zwei Menschen, die sich im selben
Zimmer befinden, wie zwischen solchen, von denen der eine
in England, der andere in Australien ist, oder zwischen einem
Menschen, der noch auf Erden lebt, und einem anderen, der
längst gestorben ist.
Telästhesie, d.h. Wahrnehmung auf Entfernung lässt
sich wohl auf ähnliche Weise interpretiren, nämlich als Bezeichnung
für eine direkte Empfindung oder Wahrnehmung
Yon Gegenständen oder Zuständen, unabhängig von den
anerkannten Sinneskanälen, und zwar unter solchen Umständen
, dass kein sonstiger bekannter Intellekt, der auf
den des Percipienten von aussen einwirken könnte, als die
Quelle der so gewonnenen Kenntniss bezeichnet werden kann;
denn sonst hätten wir es wieder mit Telepathie zu thun.
Der ßegnfi: „Telästhesie" erinnert demnach an Ölairvoyance.
Super normal. Diesen Ausdruck möchte Dr. Erich Bohn
(Vergl. „Psych. Studien" X. und XI. Helt löyyj nach
dem Vorgang von Myers künftighin als wissenschaftliche
Bezeichnung an Stelle von okkult, magisch, mystisch,
metaphysisch, animistisch, spiritistisch, mediumistisch,
transscendent, transscendental, übersinnlich oder xenoiogisch
in die Litteratur einführen. Bohn bringt, wenn es sich um
eine Zerlegung der supernormalen Phänomene handelt, mit
Umgehung der obigen Ausdrücke eine Eintheilung in
physikalische, psychische und psycho - physikalische in
Vorschlag.
In den Proc. S. P. R. Part XXX sagt Myers: „Supernormal
ist eine Fähigkeit oder ein Phänomen, das jenseits
der Grenze gewöhnlicher Erfahrung, aber in der Kichtung
der Evolution (also der Entwickelung) liegt oder einer
transscendentalen Welt angehört. Das Wort übernatürlich
(engl, supernatural) ist ernsten Einwürfen ausgesetzt. Es
setzt voraus, dass es etwas giebt, das ausserhalb der .Natur
steht und ist mit einer willkürlichen Einmischung in die
Naturgesetz^ verknüpft. Es ist nun aber kein Grund vorhanden
, anzunehmen, dass die psychischen Phänomene, mit
denen wir es zu thun haben, weniger einen Theil der JMatur
bilden, oder weniger einem feststehenden bestimmten Gesetz
unterworfen sind, als irgend welche andere Phänomene.
Einige unter ihnen scheinen auf eine höhere Evolutions-
Stufe hinzudeuten, als sie die grosse Masse der Menschheit bis
jetzt erreicht hat; etliche von ihnen scheinen unter der
Herrschaft von Gesetzen zu stehen, welche in einer transscendentalen
Welt ebensogut bestehen könnten, wie in der
Welt der Sinne. In beiden Fällen haben wir es mit
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