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40 Psychische Studien. XXVII. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1900.)
Theile des Gehirns, die bei der Aufnahme und Erzeugung
sensoriseher Bilder und Eindrücke in Betracht kommen.
Hemi-Anästhesie bedeutet Anästhesie einer Körperhälfte,
wobei auf der einen Körperhälfte normales Empfindungsvermögen
herrscht, während dasselbe auf der anderen Hälfte
vollständig fehlt. Anästhetische Zonen oder Stücke (in
denen man früher die charakteristischen Merkmale einer
Hexe erblickte)*) zeigen sich gewöhnlich bei der Hysterie.
(Ueber diese weiter unten.)
Abulie bedeutet Willenlosigkeit; das Wort Hyper-
b u 1 i e wendet Myers an, um die vermehrte Herrschaft über
den Organismus zu bezeichnen, die ähnlich der Kraft, die
wir Willen nennen, wenn wir sie auf unsere Muskeln ausüben
, — bei körperlichen Veränderungen (wie Stigmata)
auftritt, die durch Selbstsuggestion oder Meditation hervorgerufen
werden können.
Nachbild. Es ist dies das Bild, das in der Retina
entsteht, wenn das Auge auf einen glänzenden Gegenstand
geblickt hat. Hiervon zu unterscheiden ist das Erinnerungs-
bild eines Gegenstandes, welches lange nach dem ursprünglichen
Anblicken desselben entweder spontan entstehen oder
durch einen Willensakt hervorgerufen werden kann.
Attaque de Sommeil ist ein französischer Ausdruck,
den Myers dem auch im Deutschen gebrauchten englischen
Wort „Trance" vorzieht, um jenes spontane Verfallen in
einen längeren and tiefen Schlaf zu bezeichnen, das bei
hysterischen Personen häufig vorkommt.**)
' Automatismus. Dil Worte Automatismus und
automatisch werden in der Physiologie in einem anderen
Sinn gebraucht, als in der Psychologie. Der Physiologe
redet von einer selbsterzeugten Handlung (self-moved action),
wenn eine solche durch den Willen des Organismus, nicht
durch dessen Umgebung bestimmt wird. Das Wort „automatisch
" ist hier also gleichbedeutend mit „spontan." Der
Psychologe dagegen redet von einer selbsterzeugten Handlung
, wenn eine solche in einem Organismus auftritt, unabhängig
von dessen Central willen. Wenn eine Handlung zuerst die
Führung des Willens erfordert, dann aber in Folge längerer
*) Ich erinnere an ein diesbezügliches Gemälde von Maler Enopff
auf der diesjährigen MOnohener Kunst-Ausstellung im Glaspalast.
**) Uns scheint der bisher allgemein gebräuchliche Ausdruck „Trance"
nicht nur einfacher und geschmackvoller, sondern auch für das betreffende
Phänomen des aus sich, bezw. aus der normalen Bewusstseinssphäre
Hinaustretens des träumenden leb weit bezeichnender zu sein, als obige
französische Bezeichnung, die an sich lediglich eine Schlafanwandlung
ausdrückt, die nichts Supernormales an sich hat. — Eed.
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