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Gubalke: Zur spiritistischen Hypothese. 45
Theorie von den Strecken- und Lückenkräften. Seiner^Be-
hauptung, dass jeder Fortschritt Grenzarbeit, also auch4*der
Okkultismus Grenzwissenschaft sei, stimmen wir nur insofern
bei, als wir mit dem Okkultismus allerdings die bisherigen
Grenzen unseres Erkenntnissgebieies hinausschieben, der
Okkultismus selbst aber in eminenter Weise Tiefenforschung
ist, für welche die erforschbare Welt überhaupt keine
Grenze setzt, da wir an einer biologischen Entwickelung und
mit derselben an einer stetigen Verschiebung der Bewusst-
seinsschwelle festhalten. Seiner Zeit habe ich indes diesen
linkesten Flügel der okkultistischen Bewegung, obwohl
es ihm nur um nackten Phänomenalismus und kalten
Intellektualismus zu thun ist und er von vornherein ausdrücklich
auf jede philosophische und ethische Ausbeute
verzichtet, dennoch mit Freuden begrüsst, da er einerseits
den engsten Anschluss an die exakte Naturwissenschaft
vermittelt, andererseits unserer äussersten Rechten, dem
enlaut terrible, dem Offenbarungsspiritismus, die Wagschale
hält. Schopenhauer urtheilt über die metaphysischen Aussagen
und Lehren der Medien, dass sie meistens armselige
Ansichten sind, entsprungen aus den von der Somnambule
erlernten Dogmen und deren Mischung mit dem, was sie
in dem Kopie ihres Magnetiseurs vorfindet, daher keiner
Beachtung werth. Diesem Offen bar ungsspintismus gegenüber
kann gar nicht genug der naturwissenschaftliche Charakter
des Okkultismus betont werden; ihm gegenüber theile ich
die Ansicht: Wer überhaupt noch das Bedürfniss nach
Offenbarungen und Dogmen hat, ein Bedürfniss, das vielleicht
für die Mehrzahl der Menschen noch zu Recht besteht und
Befriedigung erheischt, der bleibe lieber bei seiner Kirchenlehre
, bei seinem Katechismus. „Denn es ist gewiss sehr
wichtig, dass der Mensch überhaupt an eine Metaphysik
glaubt, dagegen von sehr untergeordneter Wichtigkeit,
welche er glaubt." Was von irgend welcher Kirche in freilich
allegorischer und symbolischer Form geboten wird, ist
trotzdem Seelenspeise und auf jeden Fall von unermesslich
höherem Werthe, als die seichten, verworrenen, .Neugierde
und Sinnlichkeit befriedigenden Offenbarungen des Trancezustandes
, welche auf irgend welchen metaphysischen Werth
nicht den geringsten Anspruch haben* Im Gegentheil, sie
bringen die Metaphysik, dieses Fundament und Bollwerk
menschlicher Kultur, nur in Misskredit. Mich hat vor
derartigen Verirrungen auf dem Gebiete des Okkultismus
wie der Theosophie stets die Warnung des Schriftwortes
behütet; dass nicht der letzte Betrug ärger werde denn
der erste 1 Dogmatismus bleibt Dogmatismus. Mellenbach
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