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50 Psychische Studien. XXVII. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1900.)
okkulten Vorgang jenseitigen Ursachen zuzuschreiben und
von dem Versuche einer animistischen Erklärung von vorn
herein abzustehen. Nun, du Prel's Bedeutung und Verdienst
ist so epochemachend, gross und umfassend, dass es schliesslich
nur eine berechtigte Vervollständigung seines Lebensbildes
ist, neben dem hellen Lichte desselben auch den
Schatten nicht übersehen zu dürfen. „Tout eomprendre,
c'est tout pardonner", meine Erklärung dieser Anomalie ist
folgende, du Prel war eine so selbstständige, mannhafte
Natur, dass schon die Vorstellung irgend welcher feiger
Kapitulation vor der öffentlichen Meinung wie eine Idiosynkrasie
auf ihn wirkte, ja ihn geradezu reizte, sich in
grös8tmögliche Opposition zu ihr zu setzen und zwar dadurch,
dass er sich mit Emphase einen Spiritisten nannte. Er sagt:
„In den Augen der meisten Menschen könnte ich nur
gewinnen, wenn ich den Spiritismus verleugnen würde.
Prunken lässt sich heute mit dem Namen Spiritist nicht.
Noch glaubt die Mehrzahl, den Spiritismus dem abergläubischen
Vulgus überlassen zu sollen, rechnen sich zu
den Gebildeten — mancher freilich nur, weil er nicht bedenkt
, dass zum sogenannten Vulgus meistens einer mehr
gehört, als jeder glaubt — und sehen in jenen Spiritisten,
denen sie Bildung nicht absprechen können, Kandidaten des
Narrenhauses." Gleich Schopenhauer verachtete er das Bestreben
, um irgend welche Anerkennung zu buhlen, würde
auch eher mit Spinoza Brillengläser schleifen oder mit
Kleanthes Wasser schöpfen. Ja, bei etwaigem Lobe würde
er es machen wie der von der Rednertribüne herabsprechende
Themisiokles, dem das Volk Beifall klatschte: er drehte sich
zu den hinter ihm stehenden EVeunden mit der Frage um:
Habe ich etwas Dummes gesagt? So begoss du Prel auch
gleich Schopenhauer, der ebenfalls von der Wissenschaft
seiner Zeit sekretirt, mit vornehmer Nichtachtung behandelt
wurde, häufig seine Gegner mit der ätzenden Lauge seines
Spottes, ohne jedoch die relative Berechtigung der Erbfehler
der herrschenden Wissenschaft zu verkennen, da er sie
vielmehr als Fehler ihrer Tugenden begriff. So bereitete es
du Prel eine innere Genugthuung, dem falschen Götzen der
öffentlichen Meinung damit ins Gesicht zu schlagen, dass er
sich einen Spiritisten nannte, obwohl er es in dieser Verallgemeinerung
gar nicht war. Wir aber, die wir nicht
du Prefs Verdienste besitzen, haben auch kein Recht auf
seine Fehler: wir dürfen auch nur die Fehler unserer
Tugenden haben.
(Fortsetzung folgt.)
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