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52 Psychische Studien. XXVII. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1900.)
Spiritualismus (nicht Spiritismus) mit Staunens würdiger Zähigkeit
arbeiten, und Männer wie f Dr. du Prel, die greise
Excellenz Staatsrath Aksakorv („Animismus und Spiritismus"),
der geistvolle Kitter de Vesme in seiner „Geschichte des
Spiritismus" haben Material aufgehäuft, wozu nur noch der
praktisch denkende und handelnde Geist gerufen zu werden
braucht, um das Schlussergebniss ihrer Vorarbeiten wie eine
frohe Botschaft vor das grosse Publikum und seine breitesten
Schichten zu legen. Alleiu für dies Mal steht der Verfasser
ab, Bezug auf die eben angeführten Werke zu nehmen.
Er hat bereits früher, als sie auf dem Büchermarkte erschienen
, mehr oder weniger eingehende Besprechungen über
sie im Drucke veröffentlichen lassen.
Den eigentlichen Anstoss zur Erörterung obigen Themas
gab dem Verfasser eine viel ältere Schrift aus der Feder des
talentvollen Heinrich Conscience, eines in katholischen Kreisen
sehr beliebten Schriftstellers. Diese Schrift betitelt sich:
„Die \ erwunscheue Hand44 und ist in deutscher üÜbersetzung
schon im Jahre 1871 bei Aschendorff in Münster i. W.
erschienen. Ihr Verfasser, ein ehemaliger Soldat, scheint
keine tiefere philosophische Bildung zu besitzen, denn
überall erweist er sich als nüchterner Beobachter des
schlichten, bürgerlichen Lebens, das sich mit einer ewigen
Alltäglichkeit an der Oberfläche abspielt. Aber gerade das
sind die Momente, welche ihn als Erzähler so ungemein
anziehend machen. „Die verwunschene Hand44 behandelt
ebenfalls eine einfache Thatsache. Ein junges 18jähriges
Mädchen geht zu später Abendstunde noch einmal nach
Antwerpen, um dort fertige Kleider abzuliefern. Unterwegs
wird es von einem heftigen Gewitter überrascht, und plötzlich
legt sich eine Hand auf seine Schulter — erschrocken
dreht sich das Mädchen um und bemerkt eine hässliche
alte Frau, welche Therese nach der Zeit fragt. Therese
antwortet, leicheablass ob dieser Erscheinung. Indes,
das brave, aber aussergewohnlich furchtsame Mädchen erkrankte
und starb in Folge dieser Erscheinung, die sie nun
allnächtlich furchtbar quälte, eines entsetzlichen Todes. Das
ist also das Sujet. Gewiss nicht unwahrscheinlich oder unglaubwürdig
, umsoweniger als es aus der Feder eines durch
und durch ehrenhaften Charakters wie der Conscience's es war,
herstammt. Aber die Sache giebt zu denken, sehr zu denken.
Das Mädchen, ein harmloses Naturkind, nichtsdestoweniger
ein vollsinniger Mensch, ohne irgend einen
sogenannten Nervendefekt, besass dennoch nicht das, was
der Wiener Professor Benedict ein genau regulirtes
Bewusstsein (Intellekt) nennt. Die Gefahr des Gewitters
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