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Maier: Ein psychologisches Rätheel
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was die manchmal sehr bizarren Zeichnungen vorstellen sollen, wenn nicht
der „Geist" durch ihre Hand dem Gezeichneten auch einen Namen geben
würde. Alles, was sie zeichnet, sei ein Werk des „Geistes Ralf*; sie selbst
habe — so versichern Frau Vallent und ihr Gatte — nie irgendwelchen
Zeichenunterricht genossen, und es würde ihr schwer fallen, den Ofen des
Zimmers oder einen Sessel zu zeichen, ja sie sei nicht einmal im Stande,
ihrem Kinde bei seinen Zeichenaufgaben zu helfen. Nur wenn der
„Geist" durch sie schafft, wird sie zur Künstlerin Und der „Geist" ist
ungemein fleissig; er hat sie verhalten, in der Zeit vom 9. März dieses
Jahres, wo Frau Vallent die erste ,.Mondblume" zeichnete, bis zum heutigen
Tage mehr als dreihundert Zeichnungen — Bleistift und Pastellblätter —
zu schaffen. Was die Grösse der einzelnen Cartons betrifft, so hat der
„Geist" die mannigfachsten Formate gewählt: es finden sich Zeichnungen
bis zu einer Grösse von drei Quadratmetern, dann wieder kleinere und
kleinste. Der „Geist", der den Beistift in der Hand des Mediums führt,
ist zu jeder Zeit arbeitsbereit; während des Speisens oder mitten in der
Nacht, wenn Frau Vallent den Kohinor zur Hand nimmt, schafft der
„Geist Ralf" eine „Mondblume" oder einen „Mondbewohner". Frau
Vallent kann sich, während der „Geist" sich ihrer Hand bedient, unterhalten
, auf welche Art es ihr gefallt, sie kann conversiren oder mit ihren
Kindern plaudern; nothwendig ist nur, dass sie von Zeit zu Zeit einen
Blick auf das im Werden begriffene Bild wirft oder den Bleistift mit einem
frischen vertauscht, alles Uebrige besorgt „Geist Ralf". Und das Alles,
ohne dass Frau Vallent eingeschläfert oder hypnotisirt werden würde.
Aut diese Art sind die dreihundert Zeichnungen entstanden, die der Gemahl
des Mediums in Wien auszustellen gedachte und von welchen den Gästen
einige vorgelegt wurden. Es sind mitunter sehr hübsch ausgeführte
Blumen mit dem Wurzelsystem, den Blättern, Bltithen und Früchten, allerdings
solche, die unsere Botanik nicht kennt. Die meisten zeigen ungewöhnlich
fremdartige Formen; auf einem schachtelhalmartigen Stengel
sitzen phantastische Blüthen und Blätter von bizarren Formen, bald rispenartig
, bald kolbenförmig angeordnet. Die Pastellbilder kommen durch
die harmonische Farbenwirkung den Blumen unseres Erdballs bedeutend
näher und machen einen freundlicheren Eindruck als die unerklärlichen
Bleistiftzeichnungen. Um Verwechslungen vorzubeugen, schreibt der „Geist"
durch die Hand des Mediums zu jeder Blume die Namen, die allerdings
unserem Ohre fremd klingen. Wir finden da eine „Mondblume Omoö",
vom „Geist" in 35 Minuten durch Frau Vallent gezeichnet; eine „Mondblume
Tires", eine „Mondblume Rorote" u. v. A. Für Thiere scheint
der „Geist" weniger Vorliebe zu haben; er hat nur etwa hundert geschaffen,
alle in Bleistiftzeichnungen, aber ihre Formen sind weniger aberteuerlich
als die der Blumen. Das Medium zeigte auch, wie der „Geist" arbeitet.
Frau Vallent setzte sich an den Tisch, das Papier wurde ihr vorgelegt
und nun fing sie mit vorgestrecktem Arme und mit senkrecht nach unten
gehaltenen! Bleistifte an, Striche und Punkte zu machen, die bald die
phantastischeste Gestalt annahmen, und in 50 Minuten war eine Zeichnung
fertig, die der „Geist" mit den erklärenden Worten „Mondblume Esals"
und mit seiner Unterschrift „Ralf" versah. Auf diese Art schafft Frau
Vallent täglich drei bis vier Zeichnungen, die ihr Gemahl in nächster
f Zeit reproduciren und gesammelt in einem Werke herauszugeben gedenkt." —
Die Wiener „Neue Freie Presse" vom 48. Oktober 1899
bemerkt in ihrem ausführlichen, in einem Plugblatt der
„Sphinx" abgedruckten Bericht über eine vom dortigen
okkultistischen Verein in der Villa des Herrn Robert Melle
veranstaltete Sitzung, dass man bei der phantastischen Bezeichnung
„Mondblumen und Mondthiere" keineswegs an eine
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