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Maier: Ein psychologisches Eäthsel.
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Theil ihrer Zuschauer von der Mitwirkung eines „Geistes"
überzeugt hätte, konstatirt aber andererseits, dass der Verdacht
einer geflissentlichen Täuschung ihrerseits dabei fern
liege. Eher lasse sich an Selbsttäuschung denken, indem
Frau Vallent an eine Beeinflussung durch ihren geistigen
Freund „Ralph" wirklich glaube, während das, was sie zu
Wege bringt, nur das „Werk einer eigenartigen künstlerischen
Begabung4* sei, die in ihr geschlummert habe,
bis sie allmählich entwickelt wurde. Dafür soll auch der
Umstand sprechen, dass ihre ersten Zeichnungen diese
Bezeichnung kaum verdienen und dass man an der Hand
der einzelnen Blätter die von ihr selbst gemachten Fortschritte
deutlich verfolgen könne. Merkwürdig bleibt immerhin,
dass ihr etwa 15 cm über den Tisch gehaltener Arm bei
einer vierzig Minuten in Anspruch nehmenden Sitzung,
während welcher sie sich mit den Anwesenden fortwährend
über die verschiedenartigsten Themata unterhielt, nicht
ermüdete. — Einem mit Abbildungen versehenen Leitartikel
des Dez.-Heftes der „Uebers. Welt" entnehmen wir noch,
dass die im 36. Jahr stehende Dame aus 14 jähr, glücklicher
Ehe Mutter zweier gesunder Kinder und körperlich, wie
seelisch stets normal gewesen ist. Nachdem sie, anfangs
widerstrebend, auf Wunsch ihres Gatten, bei einigen Tisch-
sitzungen mit Schreiben vermittelst der Planchette mitgewirkt
hatte, versuchte sie zuerst am Abend des 9. März verg. J.f
während ersterer in der Oper beschäftigt war, für sich allein
das automatische Schreiben, erreichte am 10. eine Scbatti-
rung und am 11. die erste durchgebildete Pflanze, wobei die
Zeichnung nicht mit der Wurzel, sondern mit der Blüthe
zu beginnen pflegt. — Herr Bahn veranlasste die Zeichnerin
, den Graphitstift mit farbigen Stiften zu vertauschen
und Hess sie, da sie leicht hypnotisirbar ist, seiner Suggestion
folgend, auch mit verbundenen Augen zeichnen, wobei die Versuche
keine falschen oder vergeblichen Striche aufwiesen. Mit
dem Gelingen dieses Experiments ist nach Ansicht von Prof.
Obertimpfler der Beweis für den animistischen Ursprung
des automatischen Zeichnens mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit
geliefert. Die Arbeit vollzieht sich stets mit der Rastlosigkeit
, Sicherheit und Gleichmütigkeit einer Maschine.
Die Zeichnungen entstehen offenbar ohne bewusste Vorstellung
und Mitwirkung des Mediums und haben bedeutenden
Werth für die dekorative Kunst. Das Papier liegt
dabei nicht in der Vertikalrichtung des Gebildes, sondern
quer zu demselben; einige der Zeichnungen, bei welchen
der rechte Arm oft bis zu 3 St. freigehalten wird, erreichen
die Grösse von 2—3 flm. Die unbestreitbaren Reminis-
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