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70 Psychische Studien, XXVII. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1900.)
den Hamen und glaubt an ihn, weil man ihr sagt, es sei
der Geist eines Verstorbenen.
I Bezüglich der Bedingungen für das Eintreten der Er-
I scheinungen ist festzustellen, dass sie veränderlich sind und
' von Ursachen abhängen, deren Einfluss sich schwer be-
/ stimmen lässt. Manchmal hat das Medium ausreichende
* Kraft, um verschiedenartige Erscheinungen hervorzurufen,
manchmal vergehen Stunden ohne den unbedeutendsten
Vorgang. Während der Menstruation verliert Eusapia ihre
Fähigkeit oder besitzt sie höchstens in so bedeutender Ab-
schwächung, dass die Erscheinungen nur ganz langsam eintreten
; meist bleiben sie aus. Gemüthserregungen, namentlich
Aerger, stören die mediale Kraft, Frohsinn und Zufriedenheit
erhöhen sie. Oeftere Beanspruchung wirkt auch nach-
theilig, und wenn an einem Tage bedeutsame Erscheinungen
stattgefunden haben, vermag sie das Medium nicht gleich
, wieder in derselben Stärke hervorzubringen, muss wohl auch
1 hinterdrein das Bett hüten. Nach den Beobachtungen der
' Herren Chiaia und Aegri sind die Erscheinungen gegenwärtig
nicht mehr so intensiv wie im Anfange von Eusapia's
Mediumschaft; es ist eine allmähliche Erschöpfung zu bemerken
.
Das Licht hat auch Einfluss auf die Vorgänge; ihre
Bedeutsamkeit scheint im umgekehrten Verhältniss sur Intensität
der Beleuchtung zu stehen. Ebenso kommt in Betracht
die grössere oder geringere Sympathie, welche die umgebenden
Personen dem Medium einflössen. Zuweilen entsteht in ihr
eine wahre Abneigung gegen eine anwesende Person, zuweilen
eine lebhafte Zuneigung, so dass sie sagt, eine solche
Person gebe ihr Kraft und helfe ihr, während andere sie
schwächen und ihre Wirksamkeit stören. Je mehr sie den
Personen vertraut, die mit ihr experimentiren, um so überraschender
sind die Manifestationen.
Manchmal kommt es ihr wie eine plötzliche Eingebung.
Sie steht rasch auf, nimmt eine der anwesenden Personen,
die ihr gerade am nächsten ist, bei der Hand, zieht sie
fort und lässt sie nach einem bestimmten Orte blicken, etwa
nach der Thüre, den Wänden oder der Tischplatte; hat sich
der Beobachter überzeugt, dass nichts dort ist, so zeichnet
sie mit dem Finger willkürliche Linien in die Luft, und
während ihr Finger sich so bewegt, erscheint dieselbe Zeichnung
auf Thüre, Wand oder Tisch, ohne dass Eusapia sich
genähert hat. Ungezählte Male hat sie dies wiederholt, bei
verschiedenen Gelegenheiten, auch bei Tageslicht. Ich habe
auch gesehen, wie sie mitten im Gespräche den Kopf erhebt
, den Arm ausstreckt und mit leuchtenden Augen ruft:
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