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82 Psychische Studien. XXVII. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1900.)
Betracht zu ziehender Umstände zu dem Resultat, dass von
1300 Halluzinationen lebender Menschen 30 gleichzeitig mit
dem Tode der betreffenden Person, d. h. innerhalb der nächsten
12 Stunden vor oder nach demselben eingetreten sind,
30:1300 ist nun gleich 1:43, während sich nach obiger Rechnung
nur 1:19000 ergeben sollte. Die wirkliche Anzahl ist
also um 440 mal grösser. Mithin muss man, da bei diesen
Fällen eine andere Erklärung, z. B. dass der Halluzinant
etwas von dem nahe bevorstehenden Tode des anderen
gewusst hat, ausgeschlossen erscheint, eine besondere Ursache
, nämlich eine Fernwirkung zwischen dem Sterbenden
und dem Halluzinanten annehmen. Lehmann sagt hierüber
in „Aberglaube und Zauberei": „Dieser Schluss würde berechtigt
sein, wenn überhaupt eine Telepathie nachzuweisen,
wenn z. B. die gewöhnliche Gedankenübertragung auch nur
durch telepathische Kräfte zu erklären wäre. Nun wissen
wir aber, dass die Gedankenübertragung nur (! Red.) auf unwillkürlichem
Flüstern beruht, das nur in einer sehr geringen
Entfernung wahrnehmbar ist, und schon dadurch wird die
Annahme von telepathischen Kräften, die von der einen Seite
der Erdkugel bis zur anderen wirken, recht unwahrscheinlich
/4 Zwar giebt L. weiterhin zu, dass telepathische Kräfte
an und für sich nicht absurd sind, und dass eine natürliche
Erklärung für die erwähnten Halluzinationen nicht gefanden
werden kann, hält es aber für nicht unmöglich, ja sogar
für wahrscheinlich, dass die ganze von dem Sidgwick*sehen
Komite aufgestellte Statistik sich in Zukunft einmal als
falsch erweisen werde. Es sei deshalb unberechtigt von
Telepathie zu sprechen, ehe man weiss, ob die Statistik,
die ihre Existenz beweisen soll, wirklich richtig ist.
Hier haben wir wieder einmal ein Beispiel Z.'scher
Taktik. Mit einigen kurzen Bemerkungen und unbewiesenen
Behauptungen versucht er es, die ihm unbequemen und
nicht in seine Theorien hineinpassenden Resultate der mühsamen
Arbeit verdienstvoller Forscher in Frage zu stellen.
Die Einwendungen £.*s sind ausserdem nicht einmal stichhaltig
; denn erstens haben wir gesehen, dass keineswegs
alle Gedankenübertragungsversuche durch unwillkürliches
Flüstern erklärt werden können, und zweitens bieten die
„Phantasms of the living" eine so genügende Anzahl von
Fällen, dass dem objektiven, vorurtheilsfreien Beurtheiler
die Thatsächlichkeit der Telepathie zur Evidenz bewiesen
wird. — Das Problem der Telepathie ist übrigens durch die
Untersuchungen der Trancephänomene von Frau Piper in
ein neues Stadium getreten. Während man bisher der
Meinung war, dass zur Uebertragung einer Vorstellung
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