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86 Psychische Studien. XXVII. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1900.)
schaffen machen. So z. B. hatte Goethe*) einen ausnahmsweise
vorzüglichen Aspekt des Jupiter zur Geburtssonne
an seinem vielgefeierten 150. Geburtstage; ebenso und noch
viel untrüglicher gewahrte ich das üperiren von entsprechenden
Direktionen, wenn ich mich mit den Horoskopen auch
anderer Verstorbener eingehend beschäftigte. Dies ist nun
zwar kein Beweis dafür, dass die verstorbenen Seelen ihre
irdischen Gestirneinflüsse gleichzeitig fühlen, da es zunächst
nur ihre irdische Unsterblichkeit angeht. Aber die That-
sache ist mit Bezug auf die Theorie des Mediumismus von
grösster Bedeutung. Denn wenn eine Somnambule, ein
Medium für die Gestirn ei nflüsse eines Ereignisses, welches in
der Zukunft liegt, empfänglich ist, wie ich dies an dem Falle
der Fernem erläutert habe, so kann auch eine somnambule
Rückschau stattfinden, die bei den Horoskopen von Personen
sogar noch viel leichter sein muss als bei allgemeinen
Ereignissen, wo sie auch viel überflüssiger wäre oder meist
kein Interesse hätte.
Mit Hülfe der Astrologie lässt sich demnach erklären,
wieso es ein Zirkel mit Geistern Verstorbener zu thun haben
kann, zu denen irgendwelche Beziehungen der Anwesenden
im Leben oder durch die Erinnerung nie bestehen konnten.
Nöthig wäre nur, dass das Horoskop eines solchen Verstorbenen
gerade zur Zeit der Seanee starke astrologische
Verbindungen hätte mit dem Horoskop des Mediums, was
sich sehr wohl denken lässt. Auf diese Weise ist bei grosser
Empfindlichkeit des Mediums eine Rückschau in die Individualität
und in die Schicksale des Verstorbenen möglich,
der dann mediumistisch wieder ins Dasein gerufen wird in
völliger Naturtreue. Ein solcher Fall bietet sich z. B. in
der mediumistischen Schilderung des Aufsatzes „Die supernormale
Fähigkeit der Sprachenbildung in Heft IX und X
1899 der „Psych. Stud." und in dem mediumistischen Verkehr
mit der indischen Prinzessin Simadini (ib. S. 484 u.
551 u. ff.). Hier kann man in der That astrologisch die
Realität dieses Verkehrs mit jener Prinzessin, ihre ehemalige
Existenz angenommen, erklären; nur die Frage kann man
auch so nicht entscheiden, ob der Geist der Simadini that-
sächlich noch fortexistirt und ob diese also ein Bewusst-
sein von jenen Säancen hatte. Doch das kann auch mit
keiner spiritistischen Sitzung vollkommen einwandsfrei erwiesen
werden! Aksakorv selbst sagt, dass es einen solchen
Beweis nicht gäbe.
*) »Goethe's Horoskop ist von mir in Dr. R. Wrede's „Kritik"
vom 19. August 1899 besprochen.
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