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Falk Schupp: Der Kampf um den Spiritismus. 97
hat. Indirekt kann man Eduard von Hartmann als den Urheber
dieser Theorie bezeichnen; denn seine Streitschrift
gegen den Spiritismus enthält vor Allem eine werthvolle
Anleitung, nach welcher logische und erkenntnisstheoretische
Massstäbe konstruirt werden müssen, die zur Bestimmung
neuer Thatsachen Verwendung finden sollen. Aksakow hat
sich in der Ausarbeitung seiner bekannten Gegenschrift,*)
welche diese Zweitheilung zuerst in scharfsinnigster Weise
durchführte, strikte an das von Hartmann gegebene philosophisch
methodologische Rezept gehalten, und er verdankt
dieser Anlehnung nicht zum mindesten die einleuchtende
Klarheit seiner Deduktion. —
Eine zweite Erfahrungsthatsache, für welche auf anderen
Gebieten der Wissenschaft parallele Vorgänge vorliegen, ist
diese, dass, nachdem einmal die extremen Theorien über ein
neues Thatsachengebiet hinweggegangen sind, sie fast immer
durch solche gemässigter Art abgelöst, ja nicht selten völlig
verdrängt werden. In dieser Phase scheinen wir uns gegenwärtig
bezüglich des Okkultismus zu befinden. Die ani-
mistische Hypothese, allerdings diejenige, welche die bequemste
Brücke zu den festgewurzelten Anschauungen zu
schlagen vermag, herrscht heute in Zeitschriften und Versammlungen
so ausschliesslich, dass ein oberflächlicher Beobachter
geneigt sein dürfte, die gänzliche Verdrängung
der spiritistischen Hypothese anzunehmen. Solche, welche
tiefer in das Wesen des Okkultismus eingedrungen sind
und infolgedessen die hohe Bedeutung der rein spiritistischen
Theorie vollständig zu erkennen vermögen, werden das
Ueberwuchern der animistischen Hypothese mit einigem
Unbehagen bemerken. Dennoch erscheint es mir, der ich
denselben Standpunkt einnehme, ungerecht auf das Vorwiegen
animistischer Anschauungen geringschätzig herabblicken
zu wollen. Denn man darf nicht vergessen, dass
das Eindringen in die rein spiritistische Hypothese das
Abstrahiren von einer grossen Reihe uns geläufiger Alltagsvorstellungen
voraussetzt und ausserdem noch eine gewisse
Begabung erfordert, sich über metaphysische Konsequenzen
der Erkenntnisstheorie in rein logischer Weise klar zu
werden. Beide sind jedoch, wie wir oben bereits angedeutet
haben, Elemente, welche in dem im reiferen Lebensalter
Stehenden aus den erwähnten Gründen seltener anzutreffen
sind, aber gerade bei der jungen Generation häufiger und
*) Animismus und Spiritismus. Versuch einer kritischen Prüfung der
mediumistischen Phänomen« mit besonderer Berücksichtigung der Hypothesen
der Halluzination und des Unbewussten. Von A. Aksakow. 3. Auflage
1898. Leipzig, Oswald Mutze.
Psychische Studien, Februar 1000. 7
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