http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1900/0105
Falk Schupp: Der Kampf um den Spiritismus. 99
neu erstanden, indem er allerdings jetzt einem weitaus
reineren und stichhaltigeren Begriff zur Bezeichnung dient.
Als animistische Hypothese bezeichnet er die Anschauung,
dass die übersinnlichen Vorgänge, welche wir unter besonderen
Umständen beobachten können, nicht von fiktiven
übersinnlichen Personen herrühren, sondern lediglich aus dem
übersinnlichen Theil des Seelenlebens der Medien stammen.
Die Anhänger des Animismus behaupten also: es giebt keine
Geister und Dämonen; zwar sind die übersinnlichen Vorgänge
, welche wir diesen zuschreiben, richtig beobachtet,
aber sie werden falsch gedeutet. Alle diese angeblichen
Geister Verstorbener sind nichts Anderes, als Masken,
welche shh das somnambule Ekstasen-ßewus st sein der Medien
vorspiegelt. —
Gehen wir nun zu einer Kritik dieser beiden soeben
skizzirten Theorien über, so verdient in erster Linie das
Gemeinsame derselben hervorgehoben zu werden. Beide
statuiren nämlich seelische Individuen von metaphysischer
Ordnung; nur dass die Spiritisten diese Individuen selbst
in das Reich des Transszendenten versetzen, während die
Animisten sich begnügen, diese Attribute der menschlichen
Seele beizulegen und hieraus ihre Erklärungen zu ziehen.
Es ist einleuchtend, das die animistische Hypothese, welche
nur mit einer Voraussetzung arbeitet, diejenige ist, welche
nach dem logischen Grundsatz, dass die Prinzipien nicht
ohne Noth vermehrt werden dürfen, zunächst erschöpft
werden muss, ehe man zu einer weiteren greift, die mit
zwei Voraussetzungen arbeitet. Diesen Nachweis in zwingender
Form erbracht zu haben, ist wesentlich das Verdienst
Aksakow's und du Prefs. —
Betrachten wir nun, welchen Einfluss das Eindringen
dieser beiden Hypothesen in die methaphysische Psychologie
haben muss. In dieser stehen sich heute ebenfalls zwei
grosse Theorien gegenüber, von welchen die eine ein Jahrhundert
altes Wachsthum hat, während die andere erst mit
dem Aufblühen der Naturwissenschaften zu Stande gekommen
ist und erst seit 20 Jahren einen eigenen Namen besitzt.
Beide haben sich zur Aufgabe gemacht, den Ursprung der
Seele zu erklären. Man bezeichnet diese beiden Theorien
als die „Substantialitäts-Theorie" einerseits und die „Aktualitäts
-Theorie" andrerseits.
Als V«ter der älteren von beiden, der „Substantialitäts-
Theorie", muss der französische Philosoph Descartes (Oarte-
sius) angesehen werden. Im Alterthum wurde die Seele
noch mit dem Lebensprinzip verquickt und es gab daher
dort selbst bei Piaton nicht eine schroffe Gegenüberstellung
7*
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1900/0105