http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1900/0123
Didier: ürchristenthum und Spiritualismus. 117
passe sich nicht mehr für einen Menschen der Gegenwart,
umsomehr als sie ja sogar bei Kant und Schopenhauer Dinge
gelesen haben, die Flachköpfe vordem für Ammenmärchen
hielten! — Allerdings das bleibt immerhin noch wunderbar
genug, dass in einer Zeit wie die unserige, in welcher so
ziemlich alles charakterlos geworden ist, und in der
schlechterdings nur noch das blanke Gold und Silber einen
praktischen Werth besitzt, man da noch für rein innere
Bedürfnisse etwas übrig hat. Von Verständniss wagt man
noch gar nicht einmal zu reden. Oder ist es nicht wahr,
dass der, welcher heute zehn Thaler mehr denn ein Anderer
in der Tasche hat, um ebensoviel mehr zu gelten beansprucht?
Gewiss ist der heutige Subjektivismus nichts als der unerschütterliche
Glaube an die regierende Macht des
Geldes und es wird schwer halten, der genusssüchtigen
Menschheit den Glauben an die Macht des Geistes
beizubringen. Tu verras que tu vivras!
Didier, Dr. philos. in Paris.
III. Abtheilung.
Tagesneuigkeiten, Notizen u. dergl.
Ein neues Wunderlicltt,*)
Als vor vier Jahren der Würzburger Professor der
Physik Röntgen seine X-Strahlen entdeckt hatte, glaubte
man, dass etwas Wunderbareres an Lichtstrahlen nicht mehr
gefunden werden könne; diese Vermuthung erwies sich
als irrig, denn seit einiger Zeit hat der Franzose Becquerel
einen neuen Weltrekord in der Entdeckung von merkwürdigen
Lichtstrahlen geschaffen. Diese Becquerelstrahlen
gleichen den Röntgenstrahlen insofern, als sie auch durch
für gewöhnlich undurchsichtige Substanzen, wie Papier, Holz,
Metall dringen; sie unterscheiden sich aber von den X-Strahlen
auf sehr mannigfache Weise. Die X-Strahlen entstehen bekanntlich
dadurch, dass der elektrische Strom Glasröhren,
in denen sich eine sehr dünne Gasmenge befindet, unter
bestimmten Bedingungen durchfliesst; die Becquerelstrahlen
aber entstehen ohne Einwirkung des elektrischen Stromes,
überhaupt ohne Einwirkung irgend welcher äusserlich er-
*) Wir entnehmen diesen uns von Herrn Prof. W. Reichel in Berlin
gütigst eingesandten Artikel der Morgenausgabe der „Berliner Neust. Nachrichten
" Nr. 22 d. J. — Red.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1900/0123