Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
27. Jahrgang.1900
Seite: 127
(PDF, 212 MB)
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Litteraturberlcht.

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zunächst wohl jedem unbefangenen Leser die Gegenüberstellung oder
vielmehr Koordination von drei Haupt-Strebensrichtungen der Kulturmenschheit
: i) der buddhistischen, die in der modernen Theosophie, 2) der
christlichen, die in Tolstoj und 3) der materialistischen, die in dem „Ueber-
menschen" des Philosophen Nietzsche ihren Gipfelpunkt erreicht haben soll,
von welchen die erste den Schwerpunkt ihres Strebens auf die Veredelung
und Vergöttlichung des eigenen Selbstes legt, die zweite von der Mithilfe
einer aussei weltlichen göttlichen Macht als „himmlischem Vater" das Meiste
für ihr Glück hofft, während die dritte ihre Thätigkeit ausschliesslich auf
die Besserung und Veredelung der irdischen Lebensverhältnisse richtet.
Noch auffallender aber kommt es uns vor, dass der Verf., welcher in erster
Linie ein thatsächlich über allen Parteien stehender edler Menschenfreund
und offenbar ein ganz selbstständiger Charakter ist, der sich weder mit
den von Tolstoj gezogenen, ihm selbst durchaus unpraktisch erscheinenden
Konsequenzen des Urchristenthums als reiner, jede gewaltsame Geltendmachung
eines wirklichen oder vermeintlichen Rechts schroff ablehnender
Liebeslehre befreunden kann, noch zu den positiven Dogmen irgend einer
der christlichen Konfessionen bekennt, sich trotzdem auf der Ueberschrift
als einen „Christen*' bezeichnet, was er selbst im Nachwort damit zu
motiviren sucht, dass Jesus der grosse Geist war, der uns mit seinem
Herzblut das heiligste Geheimniss des Lebens, die tiefere Gotteserkenntniss
und in dem Vater alles Seins die Liebe als köstlichsten Edelstein der
diesseitigen wie der jenseitigen Welt erkaufte, weshalb es gelte, eine neue
Christusreligion auf Grund der praktischen Anforderungen des Völkerlebens
der Gegenwart auf den Trümmern der alten, zerfallenden Kirchenlehre zu
errichten. Wie ab<*r nicht eine einzige Farbe das Licht, nicht ein einziger
Akkord eine Melodie ergebe, so werde auch die dem Menschen erkennbare
höchste, umfassendste, reinste Wahrheit nicht in irgend einem einzigen
religiösen oder philosophischen System zu suchen sein, sondern gleichsam
einen die einzelnen Erkenntnisssterne und Kunstgebiete überwölbenden
Kuppelbau darstellen. Den Ausdruck Religion führt Verf. nach der
üblichen Ableitung auf das lateinische Wort „religare" (== anbinden) zurück
und versteht darunter ein „Bündniss mit Gott.*' Etymologisch ist dies jedenfalls
falsch und unzulässig, indem bekanntlich das von „religare" abzuleitende
Hauptwort „religatio" lautet und auch Cicero in seiner Schrift
„de natura deorum" das Wort „religio" ausdrücklich von „relegere"
(wiederholt lesen, d. h. sammeln) ableitet, so dass der ursprüngliche Sinn
dieses im klassischen Latein stets subjektiven Begriffs die innerliche Sammlung
der Gedanken zui Andacht bedeutet, während die von dem jüngst
verstorbenen Sprachphilosophen Steinthal gegebene Definition als „Gefühl
des Unendlichen" die sachlich richtigste, weil umfassendste sein dürfte. —
Verf., der einer Biene gleich so ziemlich aus allen einigermassen hervorragenden
Blüthen der bisherigen menschlichen Gedankenarbeit den Honig
seiner stark subjektiv und ideologisch gefärbten Lebensweisheit sammelt,
erhofft vom Standpunkt einer zwar nicht engherzigen, aber doch nationalistisch
einseitigen Vaterlandsliebe aus, speziell vom deutschen Volke, das am meisten
Selbstzucht beweise, für die Zukunft die höchsten Triumphe auf geistigem,
wie auf materiell-politischem Gebiete und erblickt in einem streng geschulten
Soldatenstand die Grundlage der von ihm als Ideal geschilderten
patriarchalischen Monarchie, sowie einer künftigen „Vorherrschaft des
germanischen" Geistes über alle übrigen Volksstämme. Er bedient sich
bei der Ausmalung seiner Ideale mit Vorliebe kühner, grossentheils
treffender, wenn auch nicht immer geschmackvoller Bilder und findet nach
dem allgemein in der Na cur giltigen Gesetz der Entwickelung des Höheren
aus dem Niedrigen und der Kontraste im Leid geradezu die unerlässliche
und von einer höchsten Weisheit wohlwollend beabsichtigte Vorbedingung
des Glücks der sich in einer endlosen Reihe von Wiederverkörperungen
allmählich von selbstsüchtig thierischen Trieben reinigenden und zu gött-


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