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Falk Schupp: Der Kampf um den Spiritismus,
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Besonders krass hat Wundt diese Zwiespältigkeit der
Kausalität in seinem 1896 erschienenen „Grundriss der
Psychologie" durchgeführt. Es würde zu weit führen,
wollte ich hier eine ausführliche Widerlegung dieser Annahme
einer gesonderten, inneren und äusseren Kausalität
geben. Mir kommt es hier wesentlich darauf an, zu kon-
statiren, dass die Annahme einer inneren Kausalität, zu
welcher Wundt doch hauptsächlich durch die Ergebnisse
der spezifischen Bewusstseins-Psychologie gekommen ist, beweist
, wie leicht ein Grundprinzip der materialistischen
Naturwissenschaft ins Wanken geräth, wenn man anfängt,
sich auf den Boden des Psychologischen zu stellen. Solange
man nämlich die Bedingnisse der inneren Kausalität lediglich
von der Sphäre der Bewusstseinspsychologie ableitet,
wie es Wundt thut, fallen die riesigen Konstruktionsfehler
dieses Verfahrens noch absolut nicht auf. Ich selbst bedurfte
einer intensiven Arbeit, um mich von diesen Ideen loszu-
ringen, die den bestechenden Vorzug des Gewohnheitsmässigen
und Plausiblen haben. Versucht man allerdings mit der *
von Wundt konstruirten inneren oder psychologischen Kausalität
die Brücke zu schlagen von der Bewusstseins-Psychologie
zu den Erfahrungsthatsachen des Somnambulismus,
so treten auf Schritt und Tritt solche Hindernisse entgegen,
dass einem das Unzureichende eines solchen Begriffes klar
wird. Es erscheinen dann schliesslich äussere und innere
Kausalität wie jene bekannten zwei afrikanischen Löwen,
die in ihrer grimmigen Wuth einander so vollständig
aufgefressen haben, dass nur die Schwänze übrig blieben.
Es ist ein Verdienst von du Prel, welches ihn den grossen
führenden Geistern der Menschheit näher rückt, dass er
diesen labilen Charakter der Kausalität richtig erkannt
und zum wichtigen Bestandtheil seiner okkulten Psychologie
gemacht hat. —
Die okkultistische Psychologie wird sich ohne Widerstreit
auf den Standpunkt der Substantialität begeben, da
sie das damit verquickte Problem der Wechselwirkung ja
als gelöst ansehen darf. Wir können daher vom Parallelismus
getrost abstrahiren, da für uns das materie 11
Schöpferische aus dem Psychischen hervorgeht
und folglich nicht mehr als entgegenstehendes Prinzip angenommen
zu werden braucht. Die Substantialitätstheorie
allein, welche die Seele als ein beharrliches und einheitliches
Wesen kennzeichnet, lässt uns die empirische Einzelseele
eben nur als eine zufällige Konstellation einer in der
Entwicklung begriffenen Seelensubstanz erfassen. Der Tod
als die Aufhebung einer Inkarnation bedeutet nichts
Psychische Studien. März 1900. 11
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