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166 Psychische Studien. XXVII. Jahrg. 3. Heft. (März 1900.)
mit dem man die junge Generation schrecken kann. Metaphysik
ist heute, knapp vor dem Beginn des neuen Jahrhunderts
, nicht mehr gleichbedeutend mit wissenschaftlichem
Köhlerglauben. Wenn Geheimrath Boltzmam seinen Vortrag
mit den Worten schloss: „dass der gegenwärtig einsetzende
Fortschritt die Erwartungen auf das Höchste
spanne, ob die alte Mechanik nur in der Geschichte fortleben
oder doch existenzfähig sein, ob von der heutigen
Molekulartheorie doch das Wesentliche noch übrig bleiben,
ob die Vorstellung eines reinen Kontinuums sich als die
beste erweisen oder ob die Theorie zur reinen Formelsamm-
lung herabsinken werde; — die Lösung dieser Fragen
werde man nicht erleben, fast bedaure man, vor der Entscheidung
zu sterben"--, so zeigt das doch zur Genüge,
dass man selbst in den Kreisen der geheimräthlfchen Universitäts
-Orthodoxie nicht mehr so ohne Weiteres an die
Omnipotenz der atomistischen Grundanschauung glaubt.
Der Okkultismus aber und in ihm besonders wieder der
Kampf um den Spiritismus ist es, der zu seiner wissenschaftlichen
Existenz des Umsturzes der atomistischen Anschauung
bedarf und, — soweit sich das bis jetzt übersehen lässt
—, den Sieg der Energetik wird mit herbeiführen helfen.
Im Gegensatz zu Geheimrath Boltzmann's melancholischer
Vorhersage darf uns die frohgemuthe Erwartung
beseelen, dass wir die aus dem Kampf um den Spiritismus
und in Verbindung mit ihm hervorgehenden grossartigen
wissenschaftlichen Neuwandlungen gesund und frisch noch
erleben werden. —
Ein Protest gegen astrologische Zumuthungen.
Von It Seithel sen *)
Wenn ich auf dem Titelblatte der „Psych. Studien"
lese, dass dieselben der Untersuchung der Phänomene des
Seelenlebens gewidmet sind, so muss ich mich fragen, wie
*) Der geschätzte Herr Einsender obiger Erwiderung schreibt uns dazu,
dat. Freiburg i. Br., Ii. Januar 1900: . . . „Indem ich Ihnen das beifolgende
Manuskript sende, kann icn nicht verhehlen, dass seit lange kein Artikel mir
so unsympathisch gewesen ist, als derjenige des Herrn Ktäepf\ eines Mannes,
den ich sonst schätze und anerkenne. Warum sollen wir Kämpfer gegen
den Materialismus diesem selbst Waffen in die Ifand drücken?! Mag doch
die Astrologie ihr Wissen für sich behalten, denn sie weiss ja, dass ihren
Behauptungen um so weniger entgegengetreten werden kann, als nur Vereinzelte
im Stande sind, ihren Rechnungen Gegenrechnungen entgegenzustellen.
Dass manche Horoskope zutreffen, ist ja ausser Frage, — ebenso sicher aber
auch sind die vielen Misserfolge. Einen Einfluss der Gestirne auf
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