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202 Psychische Studien. XXVII. Jahrg. 4. Heft. (April 1900.)
der Natur und der Form der Folgen, bezw. der Zustände
des Visionärs in beiden Fällen berechtigt uns zu dem
induktiven Schluss, dass, sintemal der Agent (d. h. derjenige,
welcher die Krisis durchmacht und den Gegenstand der
Erscheinung bildet) im ersten Fall eine lebende Wirklichkeit
ist, er es im zweiten Fall ebenso sein muss. — Worin besteht
das Phänomen der Krisis? Es besteht in einer Durchbrechung
(bezw. vorübergehenden Aufhebung — Red.)
des Gleichgewichts. Die Krisenerscheinungen
bei den organisirten Wesen entsprechen den
elektrischen Erscheinungen in dem uneigentlich
so genannten unorganischen Reich. Hier wie
dort bildet der chemische Vorgang die bestimmende Ursache.
Wenn die chemischen Vorgänge, deren Sitz jeder zusammengesetzte
Körper ist, im Gleichgewicht stehen, das will
besagen.* wenn das Ganze der nach irgend einer Seite
entwickelten Energien dem Gesammtbetrag der im entgegengesetzten
Sinn entwickelten gleichkommt, so haben wir den
normalen Zustand (der Ausgleichung); in der physischen
Welt ergiebt dies das Bild der Ruhe. Wenn dagegen die
chemischen Vorgänge sich so vertheilen, dass alle Energien
derselben Richtung zustreben, so erfolgt ein Bruch des
Gleichgewichts; dies ist bei den organisirten Wesen die
Krisis mit ihren verschiedenen Schmerzen, in der physischen
Welt ist es die Bewegung mit ihren Umwandlungen in
Wärme, Licht, Elektrizität u. s. w*
Nun giebt es aber bei den Organismen Verhältnisse
(physischer und psychischer Art — Red.), welche dieselben
miteinander verbinden (Mutter und Kind, Gatte und Gattin,
intime Freunde und dergl. — Red.) Aus diesen Verhältnissen
entstehen die magnetischen Beziehungen (die
leiblich-seelischen Rapporte — Red.), deren Intensität unter
Umständen die höchsten Grade erreichen kann.
Kommen wir nun auf den Vorgang des Todes!
Wäre das Phänomen des Sterbens durch ein absolutes
Verschwinden der Individualität des Wesens eharakterisirt,
so ist klar, dass nach demselben keine magnetische Beziehung
mit den Lebenden existiren könnte. Dem ist aber nicht so;
die Erfahrung und die (aus ihr geschöpfte) Induktion sind
da, um uns das Fortleben des Wesens, wenigstens im Kern
seiner Energie, zu bestätigen. (Hierfür scheinen auch uns
namentlich die epochemachenden, animistisch kaum deutbaren
Experimente von Dr. Hodgson mit Mrs. Piper zu
sprechen. — Red.) Die Krisis, werden wir alsdann sagen, ist
ein Gleichgewichtsbruch in den magnetischen Beziehungen. — Auf
der anderen Seite steht die Aehnüchkeit, man könnte fast
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