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204 Psychische Studien. XXVII. Jahrg. 4. Heft. (April 1900.)
des thätigen Prinzips nach dem Phänomen des sinnlich
wahrnehmbaren Todes auszusprechen. Was uns betrifft, so
wagen wir nicht jenen zahlreichen Elukubrationen, weiche
täglich das Licht der Welt erblicken, Glauben beizumessen,
erstens weil sie unter sich selbst im Widerspruch stehen, und
zweitens, weil sie, weit entfernt, ernst zu nehmenden exakten
Porschern, bezw. Experimenten zu entstammen, ihre Quelle
vielmehr in müssiger Spekulation, die sich zum wahren
Fanatismus steigert, zu haben pflegen. Gleichwohl sind die
Gestaltungen und die neuen Bedingungen des Wesens
nach dem Tod nicht rein metaphysischer Natur; sie
gehören vielmehr der Sphäre derjenigen Dinge an, die wir
uns ganz wohl vorstellen können. Da aber die uns möglichen
(denkbaren) Vorstellungen unbestimmt an Zahl sind, so ist
es uns, für den Augenblick wenigstens, unmöglich, diejenige
genau festzustellen, zu welcher irgend ein Wesen und speziell
das menschliche Wesen nach dem Phänomen des Todes in
Beziehung tritt. Es giebt da, werden wir sagen müssen, eine
ganze Zoologie, eine ganze (unsichtbare) Welt, eine Kette,
von welcher wir nicht einmal den ersten Ring kennen. Aus
dieser Bemerkung geht hervor, dass der Gegenstand der
Erscheinung einer verstorbenen Person nicht die entsprechende
lebende Wirklichkeit selbst ist, sondern vielmehr ein durch
diese Wirklichkeit hervorgerufenes Bild und zwar ein Bild,
welches in nichts die wirkliche Gestalt dieser lebenden
Wirklichkeit wieder zeichnet.
Erklären wir uns noch deutlicher. Die Fähigkeit, welche
wir Einbildungskraft nennen, giebt uns Vorstellungen, die
entweder Kopien der beobachteten Dinge oder Kopien von
Theilen der beobachteten Dinge sind, welche der Wille im
übrigen auf die verschiedensten Arten zusammensetzen kann.
Nun sind aber diese Vorstellungen oder Visionen ganz
innerlich und trotz der grössten Anstrengungen des Willens,
ist es im normalen Zustand unmöglich sie zu
exteriorisiren (d.i. nach aussen zu projiziren— Red.)
und sie so zu gestalten, dass sie die Gegenstände maskiren
(verkleiden) könnten, das will besagen, dass sie sich nicht
wie die in der Nähe befindlichen Gegenstände benehmen
können. Um eine Exteriorisation und eine Vision zu erhalten
, welche das Aussehen und sogar gewisse physische
Eigenschaften der Körper haben, die in diejenigen Bedingungen
gebracht sind, worin wir sie im wachen Zustand beobachten,
dazu bedarf es bei dem Visionär eines besonderen Zustands,
welcher nur durch eine fremde Macht hervorgerufen
werden kann. Dies wird bei den so interessanten Fällen
desfphysiologischen Magnetismus (bezw. Hypnotismus — Red.)
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