Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
27. Jahrgang.1900
Seite: 211
(PDF, 212 MB)
Bibliographische Information
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Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

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W. Botin* Ein Fall von doppeltem Bewusstsein. 211

Weg zur Herrschaft des Egoismus, der, nach Charcot,
schliesslich überwiegt. Das Zuneigungsgefühl ist beschränkt,
Hang zur Lüge, Unfähigkeit zu ernster Arbeit treten hervor.

Die pathologische Lüge, jene merkwürdige Unterbrechung
des normalen Seelenlebens, die Hysteriker zu allerlei Handlungen
veranlasst, welche sich auf gänzlich unwahren
Voraussetzungen aufbauen, findet hier ihren Platz. Viberfs
Patientin z. B. knebelte sich selbst und fingirte ein Attentat,
das sie ausführlich erzählte, nachdem man sie in gefesseltem
Zustande aufgefunden. Freilich sah sie später das Unsinnige
der ganzen Komödie selbst ein. Ein anderer Kranker lässt
sogar eine Laparotomie an sich vornehmen, völlig überzeugt
von der Richtigkeit seiner Erzählungen. Durch die enge Verknüpfung
des lügenhaften Zustandes mit den Geschehnissen
des gewöhnlichen Lebens — man lese übrigens das treffliche
Werk von Delbrück — unterscheidet sich die pathologische
Lüge wesentlich von den Handlungen im epileptischen
Dämmerzustande, bei denen — nach Feri-Ebers — der Kranke
die Erinnerung an seine Handlungen, „die man automatisch
oder unbewusst nennt", in dem Augenblicke des Aufwachens
vollkommen verliert.

Die Unterbrechung der Persönlichkeit, d. h. des logischen
Gedankenzusammenhanges zwischen Vergangenheit und
Gegenwart bildet den eigentlichen Effekt der hypnotischen Suggestion
, die hier künstlich leistet, was der Hysterie eigen ist.
In paradoxen Fällen ist sie wohl eines der traurigsten Schauspiele
des Missbrauches willensschwacher Personen. Unter
der Einwirkung der Suggestion, der Fremd- wie der Autosuggestion
, unter dem Drucke unzweckmässiger Lektüre,
religiöser Schwärmereien u. 8. w. gestalten sich die Symptome
der hysterischen Psychosen in ganz eigenartiger Weise, besonders
dann, wenn das unbehagliche Gefühl der neuen, unvermittelten
Ideen zur Bildung eines Erklärungswahnsystemes
führt. Dann kommen die Symptome zu Stande, die man
früher als Besessenheit bezeichnete und die, leider, den
Gläubigen der Teufelslehre interessanter als den Aerzten, zu
so furchtbaren kulturellen Zuständen, wie zum Hexen wahn,
geführt haben.

An dieser Stelle will ich eine sonderbare Krankengeschichte
der Vergessenheit entreissen, die allerdings in
ganzer Breite darzustellen meiner Aufgabe zu fern liegt.
Doch will ich das Thatsachenmaterial möglichst vollständig
zu geben versuchen. Den ausführlichen Bericht, verfasst von
einem Dr. med. (!) Stevens, finden wir in der Zeitschrift
„Psych. Stud." 1881.

Die Patientin, Miss Lurancy Vernum, erkrankte mit

14*


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