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228 Psychische Studien. XXVII. Jahr*. 4. Heft. (April 1900.)
Gewissens, hat noch den grössten Theil seiner Mission zu
erfüllen.
Herrn S. und allen Lesern der „Psych. Stud." erkläre
ich mich bereit, brieflich etwaige weitere Bedenken zu zerstreuen
, bezw. an mich zu richtende Anfragen zu beantworten.
Ich selbst aber bin jederzeit mit zureichenden Gründen
eines Anderen zu belehren, auch wenn Rom die Wahrheit
spricht und ein Jurist sein theologisches Konzept korrigirt.
Wille und Astrologie.
Antwort von Albert Kiiiepf.
Cui Bono? Ich bedauere zunächst, hier nicht den
genügenden Raum und auch nicht die Zeit zu haben, um
die mir durch den „Protest" des Herrn Seithel gegebenen
Anregungen eingehend zu behandeln. Volles Verständniss
für meine astrologischen Darlegungen konnte ich nicht erwarten
; ich bezweckte einmal nur einen Hinweis auf die
Wichtigkeit der Astrologie für die Lösung der Welt- und
Lebensräthsel und hoffe andererseits, dass meine Arbeiten
durch die Hefte dieses Archivs — als solches darf ich die
„Psych. Studien" doch wolil betrachten — einmal in die
Hände genügend informirter Forscher gelangen werden.
Auch meine Schlussfolgerungen über die uns beständig
im Untergrunde unserer Psyche beherrschenden, in somnambuler
Weise thätigen Triebe und Reize, sowie die Folgerung
über das Willensproblem kann man ohne ein jahrelanges
Studium der Astrologie nicht verstehen; vollends jedem
Zweifler die astrologischen Beweise für die Gesetzmässigkeit
unseres Fatums zu geben, bin ich nicht entfernt im Stande.
Die Geburtshoroskopie ist ungeheuer verwickelt und hat
Voraussetzungen, die nicht einmal immer zu erfüllen sind.
Wenn mir z. ß. Jemand angiebt, wie seiner Zeit Herr 5.,
Jemand sei zwischen 12 und 1 Uhr geboren und will nun
gar wissen, wann eine „entscheidende Wendung" im Leben
eintritt, so begreift doch Jeder, dass zwischen 12 und 1 Uhr
sehr viele Horoskope mit erheblicher Abweichung liegen
können. Trifft man's nur ungefähr, so ist das schon ein
Glück, und man kann dann aus der blossen Geburtsfigur
Manches zutreffend diagnostiziren — erschöpft ist mit der
Geburtsfigur die Sache aber bei weitem nicht! Und will
man die Ereignisse verfolgen, so ist die Korrektion auf die
wahre Minute und deren Bruchtheile durch umständliche
Proben und Vergleiche nöthig, die ebensosehr zeitraubend
wie schwierig sind» Die Deutung einer anderen Geburts-
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