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232 Psychische Studien. XXVII. Jahre. 4. Heft. f April 1900.)
bei der materiellen Undankbarkeit der Sache für die Kraft
eines Einzigen zu schwierig ist. Auch die Fragen des Herrn
Seithel, die mehr wissenschaftlicher Neugier entstammen, kann
ich leider nicht so kurzer Hand gründlich beantworten, aber
vorläufig mag Obiges genügen. Dass Nichtsachkundige kon-
sternirt sind, ist ja nicht zu verwundern, aber wir gelangen
so nur in ein anderes Stadium der Forschung.
P. S. Das „Neue Blatt" brachte kürzlich einen interessanten
Artikel über Wahrträume von Küchler. Zwar
beweisen Träume nichts, aber der Verfasser hatte deren
merkwürdig belehrende. Zur Zeit eines grossen Kummers,
über dessen Warum er sich vergeblich den Kopf zerbrach,
träumte ihm, er schwebe hoch über der Welt und erblicke
diese unter sich als ungeheueres Räderwerk. Dies beruhigte
ihn durch die Erkenntniss, wie das Einzelschicksal
vom Ganzen abhängig und oft für sich selbst betrachtet
überhaupt nicht zu verstehen ist. Gleiches lehrt aber auch
die nähere Betrachtung der Horoskope. Hat Jemand einen
unglücklichen Vater, Bruder u, 8. w., so wird sich das auch
in seiner Nativität, wenn auch nur allgemein, aber doch
bestimmt, namentlich bezüglich der Eltern und Kinder, andeuten
, und so geht die Verknüpfung auch auf weitere Kreise
über. Es ist dies freilich nicht immer leicht lesbar. Daher
ermangeln die Einzelschicksale, für sich selbst und oberflächlich
betrachtet, oft des Sinnvollen und erscheinen häufig ungerecht
. Ich nenne nur den Fall Dreyfvssl Ganz falsch versteht
man aber dieses immoralische Element, wenn man meint,
die Astrologie berechtige nun auch zum Unmoralischen.
Sie lehrt es vielmehr nur tiefer begreifen und die Stärke
der unglücklichen Dispositionen verstehen — auch offenbar
ein moralischer Gewinn I Wenn sich diese Einsicht Bahn
bricht, so wird sie ihre heilsame Rückwirkung sicherlich
nicht verfehlen.*)
Hamburg-Borgfelde, 11. März 1900.
*) Von den in dieser Angelegenheit uns zugegangenen Zuschriften
glauben wir noch die folgende zur Kenntniss unserer Leser bringen zu sollen:
Hamburg, den n. März 1900. Sehr geehrter Herr Professor! Im
diesjährigen Märzheft der „Psych. Studien" protestirt Herr R. Seithel sen.
„gegen astrologische Zumuthungen" des Herrn Alb. Kmepf , weil er, wie
er sagt, nicht einsehen kann, wem eine solche Wissenschaft etwas nützen
solle. So wie Sie, habe ich mich niemals mit astrologischen Studien be-
fasst, kann aber trotzdem Herrn tfniep/'s Ausführungen verstehen und
muss Ihnen in jedem Worte beipflichten, wenn Sie sagen, dass es geradezu
Pflicht ist, die Vertreter der Astrologie zu Wort kommen zu lassen, wo es
sich doch lediglich um Erforschung der Wahrheit, und nicht um Sympathie
oder Antipathie gegen astrologische oder sonstige Behauptungen handelt.
Mir persönlich geht der Beweis der Wahrheit über AUes, und ich habe
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