Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
27. Jahrgang.1900
Seite: 238
(PDF, 212 MB)
Bibliographische Information
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238 Psychische Stadien. XXVII. Jahrg. 4. Heft. (April 1900.)

Was ist Wahrheit?

Schon in frühen Kinderjahren haben wir diese Frage
gehört; denn der römische Landpfleger Pontius Pilatus richtet
sie an den leidenden Christus, als derselbe seinen Feinden
überantwortet ward. Das tiefsinnige Wort ist jedoch nicht
erst durch den praktisch denkenden Römer aufgekommen;
es zeigt vielmehr auch hier den immer mehr zunehmenden
Skeptizismus der neuplatonischen Philosophie der damaligen
Zeit und dann auch die Stellungnahme der Lehre Christi, des
Gott-Menschen, zur Philosophie überhaupt. Die Griechen
fassten den Begriff des Wahren (dXtj&ig) stets ais etwas Sinnliches
auf, das eben im Schönen (xaXöv) zum Ausdruck gelange;
nur Piaton überzieht gewissermassen den nackten Sensualismus
mit dem fast magischen Schleier eines unergründlichen
Idealismus. Und diese Anschauung hat sich fast stereotyp
erhalten bis in die Zeiten Locke's und Berkeley's, während
Herr Glähn in unseren Tagen damit endlich aufräumen zu
müssen glaubte, (Vergl. Glahn, „Was ist Wahrheit?*4) indem
er die Untrüglichkeit der Sinne allein verantwortlich macht
für die absolute Wahrheit. Natürlich! —

Der Geruchssinn unterscheidet genau Rosenduft von
Gestank; das Gehör täuscht sich nicht zwischen Orgelton
und Glockenklang; der Gaumen schmeckt Chokolade nicht
für Rindfleisch; einen Nadelstich empfindet auch niemand
für einen Säbelhieb, und eine Mücke wird niemand für einen
filephanten halten. Werden dennoch nicht die nöthigen
feinen Unterschiede gemacht, oder finden wirklich grobe
Verwechselungen statt, so sagt man, dass die Sinneswerkzeuge
des betreffenden Individuums nicht gesund seien; also müssen
wohl Störungen wahrnehmbar sein. In der That, es giebt
Menschen, denen Kuhmist ein angenehmeres Aroma hat, als
ein Strauss frischer Veilchen, und die uns nicht verstehen,
wie wir diesen den Vorzug vor jenem geben können; gewiss,
es giebt ferner solche Leute, die Glockenklänge eben nicht
vortheilhaft von den Hammerschlägen auf den Ambos der
Schmiedewerkstatt zu unterscheiden wissen; die vielleicht
auch lieber Rindfleisch schmecken, während sie für Chocolade
nicht den „mindesten Sinn" haben. Bekanntlich empfindet
der Krieger den Säbelhieb des Feindes nicht schmerzlicher
als eine junge Dame den Stich mit einer Stopfnadel, und
ganz abgesehen von den verschiedensten Empfindungen der
Farbeneffekte, ist es nicht all zu selten, Leuten zu
begegnen, die das, was ein Anderer durch die unterschiedliche
Plastizität zweier vergleichbarer
Gegenstände sondert, nicht nur miteinander verwechseln,
sondern für ganz etwas Anderes halten. Gerade bei Natur-


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