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260 Psychische Studien. XXVII. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1900.)
Hat doch mit aller Ehrlichkeit am Schlüsse des Protokolls
Herr Frosch selber erklärt, dass er für den Wortlaut der
Gespräche nicht mehr einstehen könne! Wenn Laing den
Untergang des Panoramas weissagte, wird vielleicht mancher
meinen, dass eine solche Prophezeiung für einen am Werke
hervorragend mitbetheiligten Künstler allzu eindrucksvoll
gewesen sein müsse, um vergessen zu werden. Dieser Einwurf
scheint von einigem Gewicht; allein er ist nichts weniger
als zwingend und wir alle machen mit vorrückenden Jahren
immer mehr die psychologische Erfahrung, da*s selbst Dinge
und Erlebnisse, die einst Geist und Herz auf das Mächtigste
bewegten, unserem Gedächtniss ganz entschwinden, bis vielleicht
ein weckender Lebenshauch das scheinbar Verweste mit aller
Sinnenmacht, mit Athem und Herzschlag erstehen macht.
Es sind ganz andere Geistesbesitze, die uns so abhanden
gehen, als imaginäre Weissagungen! Denke man nur an die
wehklagenden Verse, die Lenau dichtete beim Anblick der
welken weissen Eose, deren Geberin er nicht mehr kannte:
„Ach, mehr und mehr im Abendhauch
Verweht Erinn'rung; bald zerstiebt
Mein Erdenlos, dann weiss ich auch
Nicht mehr, wer mich geliebt."
Dass aber Herrn Frosch, wenn in der That bei der Aufsetzung
des Protokolls ihm der geweissagte Untergang des
Panoramas entfallen gewesen sein sollte, nach dem Ereigniss
der Verbrennung sofort eine etwa darauf bezügliche Prophezeiung
wieder mit voller Lebendigkeit ins Gedächtniss trat,
ist nur natürlich. Dann konnte er auch für den Fall, dass
dem nicht so gewesen, bald zu der sicheren Annahme
gelangen, dass er bereits du Frei die Prophezeiung des
Unterganges berichtet habe. Eine jetzt nach der Oeffnung
des Dokumentes von Herrn Maler Karl Frosch abgegebene
Erklärung hat nach meinem in seiner Gegenwart aufgenommenen
Protokoll die folgende entschiedene Fassung:
Herr Karl Huberl Frosch, Maler in München, sagt aus,
dass ihm deutlich in Erinnerung sei, wie Mr. Laing auch
von einem Untergange des Panoramas gesprochen habe, und
dass seine Erzählung, die er dem Baron du Prel gab, diesen
Untergang gleichfalls berichtet habe. Auch sagt er, dass er
den Mr. Laing noch befragt habe, wie denn das Panorama
untergehen würde, worauf jener erwidert habe, dass er wohl
die Art und Weise des Unterganges geschaut habe, aber
er habe das vergessen.
Der Prophet sprach übrigens gut deutsch, wie das auch
noch der Besitzer des Hospizes, Herr Bayer in Jerusalem,
jetzt wieder bezeugt.
München, 6. Dezember 1899. Karl IL Frosch.
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