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Bouvftry-Maier: Zum internationalen Psychologenkongrees. 30?
können wir nur eine (vorübergehende) Deeentralisation von
Kräften erblicken, die sich, sobald einmal das Phänomen
hervorgebracht ist, von neuem centralisiren (Th. Barel). Wo
aber die Spiritualisten die Welt des Jenseits interveniren
lassen, lassen wir nur die irdischen Kräfte dazwischen treten,
die Kräfte, die in uns sind und deren Zahl und Wesen noch
lange nicht bekannt ist. (Schiuss folgt.)
Die neue Geisterlehre.
Von Professor Dr. Max Dessoir.*)
Die Kenner des hier besprochenen Falles Piper (vergl.
März* u. April-Heft — Ked.) sind darin einig, dass diese Frau
in dem veränderten Bewusstseinszustand über Wahrnehmungsfähigkeiten
verfügt, die nach der Durchschnittserfahrung den
Angehörigen der menschlichen Rasse innerhalb der geschichtlichen
Zeiten gefehlt haben und fehlen. William James und
Genossen denken vornehmlich an die sogenannte Telepathie,
d. h. an die Uebermittelung seelischer Vorgänge von einem
Gehirn auf ein anderes, ohne Hilfe der uns bekannten
Sinneswerkzeuge. Aber ein Theil der früher genannten
Gelehrten ist überzeugt, dies oder jenes im Zusammenhang
mit Frau Piper erlebt zu haben, was selbst bei ausgedehntester
Verwendung der Annahme der Telepathie
noch nicht erklärt werden kann. Diese Forscher, von denen
ich namentlich Hyslop und Hodgson nenne, sehen sich zu der
Annahme gedrängt, dass in der That die sich nennenden
Persönlichkeiten von verstorbenen Menschen
irgendwie noch existiren, ein ße wusstsein ihrer
selbst und ihres vergangenen Lebens besitzen
und sich des Mediums wie eines Vermittelungs-
amtes bedienen, um mit uns verkehren zu können.
Ein solches Bekenntniss ist den Genannten
keineswegs leicht geworden, aber sie haben bisher
keine andere Möglichkeit gefunden, mit ihren
*) Wir glaubten diesen in Nr. Ii der „Woche" erschienenen Schlussartikel
des berühmten Berliner Psychologen schon wegen seiner meisterhaften
Zusammenstellung der beweiskräftigsten Einzelfalle aus dem massenhaft angehäuften
, ins Deutsche leider noch nicht übersetzten Material und wegen
der Objektivität der daraus gezogenen wissenschaftlichen Schlüsse unsera
Lesern nicht vorenthalten zu sollen. Auf die uns gemachte Einwendung,
dass ja jeder Leser der Psych. Stud. sich wohl selbst die betreffende Nr.
der „Woche" kaufen könne, erwidern wir, dass eine prinzipiell so wichtige,
von Meisterhand geschriebene Arbeit nach unserem Ermessen es entschieden
verdient, dem rasch verrauschenden Fluss der Tagespresse entrissen und auch
für spätere Zeiten in einem Archiv für Seelenkunde aufbewahrt zu werden. Red.
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