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314 Psychische Studien. XXVH. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1900.)
Schon am folgenden Morgen in aller Frühe ging es
dann mit mehreren Arbeitern und vollständig ausgerüstet
mit den nöthigen Geräthen, der Tagesfourage und den zum
Lager nöthigen Gegenständen zu der bekannten Stelle. Bs
war ein ziemlieh weiter Weg, der uns durch prachtvolle
dichte Wälder zu einer ziemlichen Höhe hinanführte, und
wir erreichten den Platz erst nach anstrengender Steigung;
eine weite Lichtung, umgeben nach allen Seiten von altem,
finsterem Fichtenwalde, aus dem hie und da Gruppen
mächtiger Eichen hervorragten. Die Höbe selbst fiel in
mehreren Terrassen nach Südost und dem tief unten den
Fuss bespülenden Flüsschen ab, welch letzteres sich durch
ein breites wiesenreiches Thal schlängelte.
Unter einer schattengebenden Baumgruppe wurde das
Lager gerichtet, die Hängematten befestigt, die Decken ausgebreitet
und die Vorräthe untergebracht, während wenige
hundert Schritte davon die Arbeit an dem nächsten Hügelgrabe
begann. Anfänglich war die Ausbeute nicht ganz
den Erwartungen entsprechend, doch wurde dieselbe, je
weiter wir zur Mitte des Gräberfeldes vorschritten, bedeutender
, und wir brachten an den Abenden manche schöne
Funde nach unserem Hauptquartier zurück. Selbstverständlich
wurde unsere Arbeit bald in der Gegend bekannt und
besprochen, und so fand sich nach und nach Abends grössere
Gesellschaft ein, die die gefundenen Gegenstände besichtigte
und gerne unseren Erzählungen und Beschreibungen lauschte.
So unter Anderen ein älterer Herr, Gutsbesitzer in der
Nähe, mit seiner Tochter, und Letztere besonders zeigte ein
ungewöhnliches Interesse an der Sache. Sie wurde bald mit
meiner Tochter befreundet, und ich konnte ihre Bitte, sich
uns auschliessen zu dürfen, um einmal an Ort und Stelle
den Arbeiten beizuwohnen, um so bereitwilliger entsprechen,
als meine Tochter dadurch eine angenehme Gesellschaft
und Abwechselung fand. Am darauffolgenden Morgen zur
verabredeten Stunde stellte sich das Fräulein, eine jugendliche
, hübsche Erscheinung mit etwas schwärmerisch verschleiertem
Blicke, bei uns ein, und sofort machten wir uns
auf den Weg, so dass wir vor Eintritt allzugrosser Hitze
unser schattiges Ziel erreichten. Wie gewöhnlich wurde
das Lager gerichtet und die Arbeit begonnen.
Wir hatten an diesem Tage einen neuen Grabhügel
in Angriff zu nehmen und kamen wegen grosser Steinmassen
auf und in demselben nur langsam voran, so dass die Mittagsruhepause
herankam, ohne dass wir auf Funde gestossen.
Nachdem wir dann unseren Vorräthen zugesprochen und
manches Gläschen des guten Weines geleert, lagerten sich
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