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Litteraturberioht. 325
Iiitteraturbericlit.
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ist Dr. Erich Bo/m, Breslau, Kirchstrasse 27, für alle anderen Sprachen
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für die in den Besprechungen ausgesprochenen Ansichten. Die
Berichterstatter vertreten nur die mit ihrem Namen gezeichneten Artikel.
Bücherbespreclmngen.
Dr. Lm Loewenfeld: „Somnambulismus und Spiritismus.66
Wiesbaden, J. F. Bergmann, 1900. 57 Seiten.
Kurella und Loewenfeld haben es neuerdings unternommen, das
gebildete Publikum mit den „Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens"
in Einzeldarstellungen bekannt zu machen. Ein solches Unternehmen,
an dessen Spitze zwei so hervorragende Gelehrte stehen, hat von vornherein
den Anspruch auf ernste Beachtung. Bürgt doch der Name Kurel/a% des
genialen Psychiaters und Kriminal-Anthropologen, wie der Loewenfeld*^
eines Psychiaters, dessen bedeutende Leistungen auf dem Gebiete der
medizinischen Psychologie, wie besonders auf dem der Hysterie anerkannt
sind, dafür, dass das populäre Ziel in wissenschaftlichem Geiste durchgeführt
wird. Es ist ein Zeichen der Zeit, dass die Sammlung mit einer
Monographie über „Somnambulismus und Spiritismus" eingeleitet wird.
Loewenfeld hat damit dem Zeitgeist Rechnung getragen, der mehr und
mehr sich der Behandlung dieser Fragen zuneigt. Der Gedanke, eine
nüchterne Darstellung gerade dieser Gebiete zu geben, lag daher nahe.
Die Durchführung dieses Gedankens durch Loewenfeld bringt uns leider
eine herbe Enttäuschung.
Loewenfeld will die Beziehungen des Somnambulismus zum Spiritismus
untersuchen. Wir werden uns fragen, was er unter beiden Begriffen versteht.
Schon bei dieser Untersuchung zeigt sich, dass L. zwar das Gebiet des
Somnambulismus gründlich keine, über den Begriff des Spiritismus sich
aber überhaupt nicht klar geworden ist.
Eine direkte Definition des Somnambulismus ist nicht gegeben, aber
aus den Ausführungen Z.'s unschwer zu entnehmen. L. bringt ihn mit
Recht mit dem tiefen Schlaf in Zusammenhang, der mit mehr oder
minder eingeengtem Wachsein ^Träumen) vergesellschaftet ist. Es ist ein
systematisches partielles Wachsein, bei dem einzelne Systeme von Rindenelementen
ihre Thätigkeit beibehalten. L. unterscheidet zwei Hauptgruppen
des Somnambulismus: I. Den natürlichen, II. den künstlichen. Unter
die erste Gruppe fallen: 1) das Schlaf- oder Nachtwandeln, 2) der
hysterische Somnambulismus. Die II. Gruppe bezeichnen wir als hypnotischen
Somnambulismus. Die Untersuchung dieser drei physiologischen Zustände
bildet den ersten — und zugleich besten - - Theil der Monographie. Was
L, sagt ist ebenso sachlich wie klar. Alle Streitfragen — ich erinnere an
die keineswegs unbestrittene Abgrenzung des hypnotischen Somnambulismus
— sind, dem populären Charakter entsprechend, übergangen. Trotz der
knappen Form ist alles Nothwendige überreichlich zusammengestellt.
Der zweite Theil beschäftigt sich mit den supernormalen Phänomenen,
die im Somnambulismus auftreten. L. hat sich dabei auf 1) Hellsehen,
2) Sinnesverlegung, 3) das räumliche Fernsehen, 4) die übersinnliche Gedankenübertragung
(Telepathie\ 5) das zeitliche Fernsehen, 6) das Reden
in fremden Tangen beschränkt. Irgend ein Kriterium für diese Beschränkung
habe ich nicht entdecken können. Wollte L. die Beziehungen des
Somnambulismus zum Spiritismus untersuchen, so konnte er es entweder
bei dem physiologischen Zustande bewenden lassen, oder er zog auch die
durch ihn bedingten supernormalen Phänomene in den Kreis seiner Untersuchung
. Dann aber genügt nicht ein solches fragmentares Heraussuchen.
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