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Freudenberg: üeber Spiegelschrift,
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der niederzuschreibenden Mittheilung zu erwecken, wäre in
diesem Falle die Aufgabe eines Spirits. Von Spiegelschrift
aber könnte hierbei am allerwenigsten die Rede sein.
Wenn es sich überhaupt verlohnte, die Irrigkeit dieser
Anschauung noch des Weiteren darthun zu wollen, so
brauchte nur an die thatsächlich erwiesene Beobachtung
erinnert zu werden, dass bei physikalischen Medien alle
Bewegungen in einer in der Verlängerung der Organe derselben
liegenden Richtung erfolgen, was Forscher wie
de Rochas, Acevedo u. A. zu der Annahme fluidischer
Glieder geführt hat, die aus dem Körper des Mediums hervorgehen
.
Fassen wir hierzu nun noch den Umstand ins Auge,
dass sich die Spiegelschrift durch rein äussere Bedingungen
bei völlig wachen und vollständig normalen Personen hervorrufen
lässt, so erscheint die ganz willkürliche Auslegung,
welche der Spiritismus diesem Phänomen gegeben hat, um
so verwunderlicher.
Mit Fug und Recht dürfen wir sagen: mit dem Spiritismus
als solchem hat die Spiegelschrift absolut Nichts zu
thun. Denn bei ihr handelt es sich nicht einmal um ein
eigentlich psychisches Problem, sondern nur um eine
anatomisch-physiologische Frage auf dem Gebiete
der Neurologie. Und vielleicht giebt uns die von den
beiden oben genannten Gelehrten Schurtz und Marinesco
gemachte Beobachtung, dass Spiegelschrift bei dem ungewohnten
Gebrauch der linken Hand beim Schreiben zustande
kommt, Gelegenheit, die Aufklärung dieses merkwürdigen
Problems etwas zu fördern. —
Der Vorgang des Schreibens überhaupt ist ein höchst
complexer. Derselbe hat verschiedene rein psychische
Prozesse zur Vorbedingung, die unzertrennlich von ihm sind.
Zuerst muss in unserem Geiste ein Gedanke hervorgerufen
werden und zugleich der Wille entstehen, diesem
Gedanken durch die Schrift einen bestimmten Ausdruck zu
geben. Soweit bewegt sich das Ganze noch auf rein
geistigem Boden. Nun ist es aber noch ein weiter Weg
von der Erzeugung des Gedankens bis zur Bildung einer
geformten Niederschrift in der Vorstellung. Denn eine
Vorstellung von einer solchen Niederschrift muss der wirklichen
Niederschrift unbedingt voraufgehen. Auch diese
Strecke verläuft, mindestens bis zu ihrer Schlussstation, noch
ganz und gar im Gebiet des Psychischen. Erst da, wo es
sich um die Hervorrufung eines festgeformten Abdrucks des
Gedankentextes, den demnächst die Hand durch die Schrift
wiedergeben soll, handelt, beginnt nothwendiger Weise die
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