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Bouv6ry-Maier: Zum internationalen Psyehologenkongress. 369
Philosophie, zwischen wissenschaftlicher Erkenntniss und
Moral schwer leidenden menschlichen Wesen ohne Ausnahme
dienen könnte, wir uns nicht trennen, ehe wir dieselbe entbunden
haben, so dass sie von autorisirten Stimmen verbreitet
, vor der ganzen Welt proklamirt werden kann.
„Diese wohlthuende Idee wird der Ausgangspunkt der
Entwickelung sein, welche jeder einzelne „Mensch von Herz"
schon so lange — bewusst oder unbewusst — ersehnt. Sie
wird die Individuen, die Gesellschaften, die Nationen, die
Eassen zu der von den Denkern und Dichtern aller Zeiten
erträumten Universalharmonie führen.
„Gehen wir also nicht auseinander, ehe wir diesen
grandiosen, so menschlichen, so gebieterisch nützlichen Akt
vollzogen haben. Ja, meine Herren, verkündigen wir es
kühn und recht laut und in allen Sprachen der Welt, dass
der Mensch aus einem beim Tod sich auflösenden und der
Verwesung anheimfallenden irdischen Leib und aus einer
fortwirkenden, das Grab überlebenden Seele zusammengesetzt
ist. Jeder möge sich davon überzeugen, dass, wie der emi*
nente Physikprofessor Oliver Lodge (von der Royal Society
in London) dies laut zu versichern sich nicht gescheut hat,
„die Schranke, welche die beiden Welten — die geistige
und die stoffliche — trennt, stufenweise und nach und
nach, wie schon so viele andere Schranken, fallen kann; und
dann werden wir zu einer höheren (spiritualistiseh - monistischen
— Red.) Auffassung von der Einheit der Natur gelangen
. Die möglichen Dinge im Universum sind ebenso
unendlich wie seine Ausdehnung. Was wir wissen ist nichts
im Vergleich mit dem, was uns zu wissen übrig bleibt.
Wenn wir uns auf das bis jetzt hin eroberte Halb-Gebiet
beschränken, so verrathen wir die erhabensten Rechte der
Wissenschaft." —
„Verkündigen wir es also recht laut, dass diese beiden
Zwillingsschwestern. die Naturwissenschaft und die Philosophie
, und in ihrem Gefolge die Moral, sich nie wieder trennen
dürfen. Führt man diesen Nachweis ausserhalb jeder Idee
an ein religiöses Dogma oder an irgend eine besondere
Schule, so wird sich daraus eine förmliche, äusserst wohlthuende
Umwälzung in den menschlichen Anschauungen
ergeben; denn der menschliche Gedanke wird sich dann
auf die Dauer in der Richtung der Gerechtigkeit und der
Wahrheit entwickeln. Man wird einsehen, dass die Kräfte
des Weltalls solidarisch verbunden sind und im Einklang
zusammen schwingen. Man wird auch einsehen, dass das
Gesetz: „nichts geht verloren0 auf dem Gebiet des Gedankens
und der Moral ebenso unbedingt gilt, wie auf physischem
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