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öubalke: Offene Frage.
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diese in stetem, lebendigem Verkehre mit C. du Prel reichlich
Gelegenheit gehabt und wohl auch Veranlassung
genommen haben dürfte, in eingehendem Meinungsaustausche
systematisches Verständniss für den eigenmächtigen
Abbruch des irdischen Lebens zu gewinnen.
Ich vermisse nämlich bei C. du Prel Konsequenz und in
Folge davon Uebereinstimmung mit sich selbst.
Was ist der empirische Mensch? Er ist das in die
Sinnenwelt, nach dem Gesetze des goldenen Schnittes, dem
auch die menschliche Individualität als höchstes Kunstwerk
der Welt des Werdens (im Gegensatz zur transscendentalen
Welt des Seins) unterworfen sein muss, projicirte, aus
Eiweissstoff geformte Produkt unseres transscendentalen
Subjekts. Also wohl gemerkt: unser transscendentaler
Wesenskern ist das projicirende Subjekt, die phänomenale
Person die nur zum kleineren Theile projicirte Objektivation
desselben. Persona— personare — hindurchtönen: die Person
nur das sinnenfällige Sprachrohr des übersinnlichen Subjekts.
— Nun sagt du Prel in der „Monistischen Seelenlehre" S. 311:
„Dieses Leben beruht auf einer transscendentalen Selbstverordnung
", dagegen S. 378: „Der transscendentale Lebenswille
begleitet jeden Lebensinhalt." Hierin liegt zunächst
eine bedenkliche Abschwächung der monistischen .Formel,
mindestens eine Unklarheit über das Verhältniss zwischen
dem transscendentalen Lebenswillen und dem irdischen
Jßewusstsein. Der transscendentale Lebenswille ist doch
wohl nicht blos passiver „Begleiter" des phänomenalen
Daseins, sondern die „Seele" desselben, und als pädagogischer
Mentor bestimmt er dessen Verlauf. Er ist „der Herr, dessen
Rath wunderbarlich ist, aber es herrlich hinausführt", dessen
„Gerichte unbegreiflich und dessen Wege unerforschlich sind."
Das gehört zur Providentia specialissima der kirchlichen
Dogmatik. Wenn nun zwar auch, wie du Prel sagt, der
Somnambule auf einer von ihm selbst vorgeschriebenen Operation
besteht und sie erträgt, wiewohl er im Wachen sich
davor entsetzt, so kann dieses Entsetzen und Widerstreben
eben auch nur transscendentale Bestimmung mit dem Zwecke
sein, durch die Verschlimmerung des Uebels das Individuum
ad absurdum seiner Eurcht vor operativem Eingriffe zu
führen. Die freie Vernunft unterliegt nie der täuschenden
Maja der Sinnlichkeit, wohl aber offenbart ihre phänomenale
Befangenheit, d. L ihre Unfreiheit die Inferiorität des „vergänglichen
Wesens." „Vater, vergieb ihnen, denn sie wissen
nicht, was sie thun," dagegen „denen, die Gott (d. i. ihr
höheres Ego, den Vater im Verborgenen) lieben, werden
alle Dinge zum besten dienen.4* Es ist darum mangelnde
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