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376 Psychische Studien* XXVII. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1900.)
Konsequenz, das Leben zwar auf einer transscendentalen
Selbstverordnung beruhen zu lassen, und nicht zugleich auch
das Ende desselben in diese Selbstverordnung mit hinein zu
beziehen. Ein Ende wird doch nicht durch Zufall und den
Augenblick willkürlich und unvermittelt von aussen gesetzt,
sondern es bildet entweder einen harmonischen Abschluss
auch des äusseren Verlaufs, oder es offenbart, ebenfalls
mit innerer Nothwendigkeit, die bisher latent gebliebene
Diskrepanz des Lebens in einer schrillen, abbrechenden
Dissonanz: die Auflösung auch dieser Disharmonie, wie
jeder anderen, in eine höhere Harmonie erfolgt dann in
der nächsten Inkarnation, gemäss dem Entwickelungsgesetze,
dass die Aufhebung der Gegensätze nie in, sondern über
ihrer Mitte liegt.
Weiter aber liegt sogar ein Widerspruch 0. du Prefs
vor, wenn er S. 378 sagt: „Im Selbstmord liegt eine Auflehnung
des irdischen Bewusstseins gegen das transscendentale
Subjekt, welches wir schädigen." Wie? die projicirte
Objektivation des transscendentalen Lebenswillens soll sich
gegen das projicirende Subjekt, die Verordnung gegen den
Verordner auflehnen können? das Grefäss gegen den Töpfer,
das Werk gegen den Meister? Mag doch auch der „im
empirischen Optimismus befangene41 Intellekt in der Irre
schweifen, das Konzept seines transscendentalen Subjekts
wird er nie korrigiren können. Ist der Wille in der That
der primäre, der Intellekt der sekundäre Faktor in der
Konstitution des empirischen Menschen, verhalten sie sich
zu einander wie Produzent und Produkt, so ist auch ausgeschlossen
, dass der unfreie, weil von der Sinnenwelt
determinirte Intellekt der transscendentalen, uns unbewussten
Intelligenz, die in ungebrochener Einheit mit dem transscendentalen
Lebenswillen sich entwickelt, dergestalt widerstreben
könnte, dass er sich in von dieser nicht gewollte Handlungen
umzusetzen vermöchte. Trotz aller Motivationen und
Determinationen durch die Sinnenwelt, in Folge des
sinnlich befangenen, unfreien Intellekts, reagirt doch unser
konstitutiver Lebenswille durchaus frei auf alle, auf seinen
inkarnirten kleineren Theil einwirkenden Einflüsse: er bleibt
immer der sich selbst setzende Primfaktor, welcher in allen
Produkten, d. i. Lebensäusserungen des empirischen Menschen
steckt und sie bestimmt. —
Ich urtheile, dass Carl du Prel, ebenso wie der verdienstvolle
Dr. Hübbe-Schleiden, in Schopenhauer stecken geblieben
sind, wenn sie gleich Jenem, in nicht völliger Ueberwindung
des panthelistischen Unbewussten, (d. i. des unbewussten
Weltwillens — Red.) der auf die Empirie beschränkten,
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