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W. Bohn: Ein Fall von doppeltem Bewusstsein. 425
alternirenden Bewusstsein. In ihrem Briefwechsel mit dem
angeblichen Bräutigam tritt eine völlige Spaltung der Persönlichkeit
und consequente pathologische Lüge hervor.
Es besteht eine hochgradige Erinnerungsfälschung, aber kein
Erklärungswahn. Die abgespaltenen Vorstellungsreihen führen
zu lebhaften Halluciriationen im Gebiete der Gesichts-, Gehörsund
Berührungsempfindung. Auf der Höhe der psychischen
Erkrankung zeigt sich die den Hysterischen so geläufige
Lieblosigkeit gegen die Angehörigen, Nach Ablauf der
Krankheit besteht angeblich hochgradige Amnesie.
Bemerkenswerth ist die Verbindung der hallucinatorischen
Zustände mit Schmerzen im Hinterkopfe und Herzklopfen.
Vielleicht mag die Krankengeschichte als einzelne wenig
wichtig und nicht besonders hervortretend erscheinen: in ihrer
Verbindung mit den Nachweisen, die das Auftreten des
Symptomes der Bewusstseinsspaltung in einer Reihe gut
berichteter Fälle aus der psychiatrischen Litteratur betreffen,
bildet sie einen nach meiner Ansicht immerhin nicht uninteressanten
casuistischen Beitrag zur Symptomatologie der
hysterischen Zustände.*)
IL Abtheilung.
Theoretisches und Kritisches.
Träumen und Sterben.
Eine Studie über Nietzsche1^ Ansicht vomTode.
Nachdem die Frage nach der Berechtigung des
Selbstmords im Juni-Heft der „Psych. Stud." von Herrn
Pastor Gubalke in seiner bekannten geistvollen Weise neu
angeregt und im grellen Widerspruch zu dem Standpunkt
du Prefs, wohl wider Erwarten und Zustimmen so ziemlich
aller unserer Mitstreiter aus dem okkultistischen Lager,
eben auf Grund seiner Philosophie vom transscendentalen
Subjekt bejaht worden ist, ging der Schriftleitung
gewissermassen als erste, wenn auch nicht beabsichtigte
Entgegnung, unter obigem Titel eine kleine Schrift unseres
*» Auf Wiedergabe des im Märzheft auf S. 141 angekündigten sehr
umfangreichen Verzeichnisses der vom Verf. benutzten Litteratur musste aus
Rücksicht auf unsern beschrankten Raum hier verzichtet werden Interessenten
finden dasselbe ausführlich abgedruckt in der 1898 im Druck erschienenen
Inaugural-Dissertation des Verfassers: „Aus der psychiatrischen Klinik zu
Breslau". — Red.
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