Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
27. Jahrgang.1900
Seite: 429
(PDF, 212 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1900/0432
Unger: Träumen und Sterben.

429

Dinge auf Grund der flüchtigsten Aehnlichkeiten; mit
derselben verworrenen Willkürlichkeit dichteten einst die
Völker ihre Mythologien, und noch jetzt pflegen Reisende
zu beobachten, wie sehr der Wilde zur Vergesslichkeit
neigt, wie sein noch unentwickelter Geist nach kurzer Anspannung
gleichsam hin- und herzutaumeln scheint und dann
aus blosser Erschlaffung Lügen und Unsinn hervorbringt.
Im Schlaf und Traum machen wir also nach Nietzsche das
Fensum früheren Menschenthums noch einmal durch, wobei
die aufeinanderfolgenden Halluzinationen einen solchen Grad
scheinbarer Wirklichkeit erreichen können, dass sie für
wahr gehalten werden. Nietzsche führt die historisch nach-
gewieseaen Fälle an, wo ganze Gemeinden, ganze Völker
sogar im Wachzustand von einer und derselben Halluzination,
bezw. Wahnidee befallen wurden; er ignorirt aber vollkommen
die zahlreichen, ebenso einwandfreien Fälle, in welchen bei
gewissen Menschen im Traum an Stelle der Schwächung
und Verwirrung des Gedächtnisses im Gegentheii eine
bedeutende Stärkung und Schärfung desselben nachweisbar
eingetreten ist. Verf. zitirt hierfür das Beispiel des Professors
Reinhold, der im Traum die verwickeltsten metaphysischen
Probleme, sowie das der Mathematiker Krüger und Maignon,
welche träumend die schwierigsten Aufgaben lösten; dasselbe
ist von Newton bekannt, ganz abgesehen von den zahlreichen
Dichtern und Künstlern, die im Traum schöpferisch thätig
waren, wie z. B. Voltaire, der so einen Gesang seiner Henriade
vollendete, woraus doch hervorgeht, dass das Gedächtniss
im Traum mindestens nicht immer bis zur Unzulänglichkeit
jenes Zustandes beim Urmenschen herabsinkt, sondern unter
gewissen Umständen an Schärfe das des tagwachen Bewusst-
seins bedeutend übertreffen kann.

In seinem Aphorismus: „Die Logik des Traums"
beschränkt sich Nietzsche bei Aufzählung der die Traumphantasie
beeinflussenden Umstände durchweg auf das
physiologische Thatsachenmaterial, bei welchem bekanntlich
der Einfluss der Lage des Körpers und seiner inneren
Organe die wichtigste Rolle spielt. Der Träumende schafft
sich unter dem ihm unbewusst bleibenden Eindruck einer
körperlichen Einwirkung zuerst irgend eine Hypothese, die
dann für ihn sofort zu einem in reichem Bilderschmuck
dramatisch dargestellten festen Glauben wird, wobei, was
dem Träumer als reale Gegenwart erscheint, in Wirklichkeit
eine mehr oder minder ferne Vergangenheit ist, dagegen
die wirkliche Gegenwart, welche die Ursache des ganzen
Traumes giebt, zu einer Zukunft, zu einem Endergebniss
wird. So träumte der im Schlaf von einem Floh gestochene

Psychische Studien. Juli 1900. 28


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1900/0432