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Didier: Es werde!
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Prozess, der im Seienden als in der Erscheinungswelt
sinnlich erkennbar wird. Dieser Prozess beruht in einem
prompten Auslösen der Stoffe, wodurch die treibende
Kraft beständig verjüngt wird. Das scheinbar Abgenützte
wird nur verarbeitet, sobald es eben von einem verjüngten
Stoffe abgelöst worden ist, um später auch diesen wieder
immer nur auszulösen. Auf diese Weise stellt das gesammte
organische Leben eine Kette chemischer Prozesse dar,
deren letztes wie erstes Glied Unendlichkeit ist. Wie
nun Alles einen natürlichen Ursprung hat, so muss noth-
wendig auch jedes Ding seinen Urheber haben. Man weiss,
wie schwer es ist, den Urheber eines alten Werkes oder
Bildes zu suchen, und selbst die gelehrtesten Fachkundigen
mussten oft nach Jahre langem Suchen ihre Bemühungen als
vergeblich einstellen, wenn sie schon glaubten, auf der
richtigen Spur zu sein. Ungleich schwieriger muss es indes
sein, dem Urheber der Welt, dem Urheber jener
chemischen Prozesse, die wir Leben nennen, auf den dunklen
Pfaden nachzugehen, die uns die Vernunft vorzeichnet. Hier
verlassen uns selbst die erprobtesten Geister der modernen
Naturwissenschaft und, wo sie scheinbar Stand halten, thun
sie es unter dem Deckmantel einer feingeschulten Eloquenz.
Eine definitive Aufklärung vermögen sie eben nicht zu
geben. Ich will nicht verfehlen, als Beleg für die oftmals
geradezu lächerliche Argumentation der heutigen Naturforscher
, auf ein Beispiel hinzuweisen, das besser wie irgend
ein anderes, die Nichtigkeit menschlichen Wissens zeigen
wird. Als ich mich vor etlichen Jahren in Paris mit
sogenannten Marsstudien, die dort besonders Mode sind,
beschäftigte, fiel mir auch ein feinstilisirter Essay aus der
Feder des grossen Flammarion in die Hände. Schon damals
hatte ich Beiträge zur Marsliteratur veröffentlicht und noch
1894 habe ich über die Möglichkeit der Bewohnbarkeit des
Mars einen sensationellen Aufsatz in einer deutschen Zeitschrift
erscheinen lassen. Allein Herr Flammarion war noch
sensationeller als ich und behauptete, die vermuthlichen
Wasserläufe auf dem Mars, welche die Form eines N haben,
wiesen auf Napoleon hin; wahrscheinlich werde er nach seinem
Exil auf St. Helena nach dem Mars verzogen sein und dort
ein so grosses N in den geschmeidigen Boden haben eingraben
lassen, dass es von allen Irdischen mittelst Tubus
gesehen weiden könne! Ja, er weiss sogar bereits, dass
auch Napoleon mit einem Januskopfe die Marsiten
tyrannisirt. Wenn uns heute beim Rückblick auf die bezopfte
Schaar mittelalterlicher Gelehrten vom reinsten Wasser eines
Kircherus oder Hissdörffer, das Lachen ankommt, so mag
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