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474 Psychische Studien. XXVII. Jahrg. 8. Heft. (August 1900.)
Ereignisse, welche die Gesundheit der Frau d'E. in einer
Weise bedroht haben, dass sie etwas Aehnliches bei all
ihrer Opferwilligkeit um keinen Preis mehr erleben möchte.
Das eine Mal war, als Frau d'E. noch in England weilte,
die materialisirte Gestalt „Fofantfe" in brutaler Weise an-
gefasst worden. Dies hatte nicht nur momentane Gefühle
des Entsetzens und grosser Todesangst, sondern auch eine
schwere, langwierige Erkrankung des Mediums zur Folge.
Das andere Mal war Frau d'E. ausserordentlich schädigenden
Eingriffen in ihren Körper ausgesetzt, als gelegentlich des
merkwürdigen Phänomens der partiellen Dematerialisation
die Abwesenheit ihres grobmateriellen Unterkörpers von
mehreren Sitzungsteilnehmern konstatirt wurde. Während
des zweijährigen Siechthums, welches dieses unerwartete und
wohl deshalb so unglücklich verlaufene Ereigniss im Gefolge
hatte, fiel sogar das binnen Kurzem grau und weiss gewordene
Haar des Mediums vollständig aus. Beim Anblick des jetzt
wieder dunkel gewachsenen Haarschmuckes war meine Frau,
nebenbei bemerkt, besonders erfreut, weil sie Frau d'E. im
Sommer 1894 — dreiviertel Jahre nach jener verhängnissvollen
Helsingforser Sitzung — mit weissen Haaren gesehen
hat.
Wer wollte nun garantiren, dass Frau d'E. in Sitzungen
mit selbst wohlwollend gesinnten Skeptikern gar nichts zu
riskiren hätte ? Es könnte sich ja zudem ein neues Phänomen
ereignen, welchem gegenüber die äussersten, zum Schutze
des Mediums getroffenen Vorsichtsmassregeln sich als
unzureichend erweisen würden. Und wer hätte gar Lust,
zu garantiren, dass etwa gelungene und nach jeder Richtung
hin befriedigende Sitzungen die nach ihrer grossen Mehrzahl
immer noch materialistisch gesinnten,*) schwerfälligen
deutschen Gelehrten bekehren würden? Diese Herren stehen
ja vielfach sogar auf dem Standpunkt jenes Allopathen der
„Grenzboten" (1890, Nr. 27), welcher den berühmten Ausspruch
that: „Ich glaube an die hypnotische Suggestion nicht,
als bis ich einen Fall davon gesehen habe, und ich werde
*) Man wiegt sich in neuerer Zeit gern in der Hoffnung, dass die Nebel
des Materialismus demnächst ganz zerstreut sein werden. Davon sind wir
indessen noch sehr weit entfernt. So z. B. sagt Max KassowUz in seinem
in der „Zukunft" vom 25. Mai d. J. veröffentlichten Aufsatz über Neovitalismus:
„Reinke (Verf. von: „Die Welt als That") gehört zu Jenen, die es für möglich
halten, dass abstrakte Begriffe auf die Materie einwirken und in dieser greifbare
Wirkungen hervorrufen. Da mir das undenkbar erscheint und ich mit
der grossen Mehrheit der Naturkundigen der Gegenwart daran festhalte, dass
materielle Wirkungen oder Bewegungen immer nur durch andere vorhergegangene
materielle Bewegungen hervorgerufen oder bestimmt werden können,
so verzichte ich auf eine Diskussion seiner für mich undiskutirbaren Lehre."
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