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Hasche: Glossen über die Beziehungen von Theosophie etc. 509
demjenigen, der, obwohl dafür empfänglich, doch nicht auf
der Suche nach ihnen ist. Diese Thatsache allein giebt ein
unbezwingliches Bollwerk ab, und ist allgemein von der
Oeffentlichkeit als ein Ergebniss der höchst erfolgreichen
Forschungen der „Psychical Research Society" anerkannt
worden.
Es giebt zur Zeit drei einflussreiche Schulen der Psychologie
, nämlich: die spiritistische, die theosophische und die
physiologisch-psychologische. Die drei Anschauungen brauchen
niemals in Widerspruch und Zwist zu gerathen, obgleich sie
drei bestimmte Phasen der universalen Wahrheit darstellen.
Der um einen Verstorbenen Trauernde, welcher trostreiche
Zuflucht sucht, wird in überwältigender Weise durch die
tröstenden Versicherungen eines vernünftigen Spiritualismus
aufgerichtet; der nach Erkenntniss der okkulten Wissenschaften
Strebende wird unbedingt den Zauber der Theosophie
empfinden; der Leidende, dem Medizin und Chirurgie wenig
oder gar keine Erleichterung verschaffen konnten, wird sich
verlangend demjenigen Systeme zuwenden, das ihm Heilung
und Gesundheit verspricht.
So lange die menschlichen Bedürfnisse verschiedener Art
sein werden, so lange haben auch die verschiedenen Denksysteme
ihre Berechtigung; diese Verschiedenheiten sollten
jedoch nicht zu Uneinigkeiten Veranlassung geben. Die
scheinbar dunklen, und vielen als zwecklos erscheinenden
Doktrinen, die alsKarmaund ßeInkarnation bekannt
sind, erheischen nur ein tieferes Verständniss, um ihre ab-
stossende Gestalt ganz zu verlieren. „Karmaa bezeichnet nur
die Folge, und kann daher als Bestätigung der rein wissenschaftlichen
Beziehung zwischen Ursache und Wirkung
aufgefasst werden. Ob nun die Reinkarnation nachweisbar
ist oder nicht, so ist hieran wenigstens ersichtlich und muss
zugegeben werden, dass der Durchschnitts-Theosoph derartig
grosse Probleme philosophisch zu behandeln versucht, die
der Durchschnitts-Forscher gewöhnlich als völlig ausserhalb
des möglichen Gesichtskreises gegenwärtiger Forschungen
bei Seite zu werfen geneigt ist. Annie Besant, die Vermittlerin
indisch - theosophischer Ideen und Begründerin der tbeo-
sophischen Bewegung in Europa, hat in unermüdlicher
Arbeit und Ausdauer durch ihre veröffentlichten Schriften
viel dazu beigetragen, manches verwickelte Problem aufzuhellen
, mit dem sich die bedeutendsten Forscher nicht zu
befassen wagten. Es wäre auch nutzloses Beginnen, einem
Menschen, der gewohnt ist, selbst zu denken, verwehren zu
wollen, dass er sich der Untersuchung solch tiefer und
verschleierter Probleme, wie menschlicher Ursprung und
Psychische Studien« August 1900. 38
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