Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
27. Jahrgang.1900
Seite: 526
(PDF, 212 MB)
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526 Psychische Studien. XXVII. Jahrg. 9. Heft (September 1900.)

Erfahrung gegeben, die, auf endlosen Serpentinenwegen, auch
auch zur Quelle der Erkenntniss führt. Dieser Empirismus
aber ist leider meist blos die erkenntnisstheoretische Seite eines
Sensualismus, der alle Vorstellungen aus sinnlichen Empfindungen
, resp. aus Komplexen von Empfindungen ableiten
will. Wohl entspringt das fünfsinnliche Erkennen aus unmittelbarer
, sinnlicher Anschauung, aber erst das Denken
muss die Eindrücke verknüpfen und richtig deuten. Es
kommt durchaus nicht auf das Sammeln möglichst vieler,
sinnlich beobachteter Einzelfälle an, sondern, nach guter,
sorgfältigster Beobachtung auch nur weniger, auf
die denkende Bearbeitung solcher Facta. Der Empirismus
kann, als Erfahrungswissenschaft, stets blos den
Stoff zum Denken liefern; stets wird es aber Sache der
denkenden Erkenntniss sein, unwesentliche Bestandtheile
auszuscheiden und das Wesentliche zu einer theoretisiren-
den Verallgemeinerung zu führen, und es ist das Ideal
jeder wahren Wissenschaft, wenn die auf inductivem Wege
der Empirie gewonnenen Resultate mit den deductiven
Theorien der Vernunfterkenntniss sich vollkommen decken.

Freilich ist dies nur selten der Fall, was uns aber
durchaus nicht dem nackten Sensualismus eines Condillac
und Hume in die Arme treiben muss.*) Ehe wir die Objecte
der Erkenntniss zergliedern, müssen wir das Organen der
Erkenntniss zergliedern, denn die Erfahrung ist ja blos
eine Art der Erkenntniss. Wir müssen also das Erkennen
an sich untersuchen und von diesem aus seine Grenzen
und die Bedingungen und Formen seiner Thätigkeit. Und
das hat Immanuel Kant gethan; er wies nach, dass aller
Erfahrung aprioristische Elemente des Erkenntnissvermögens
zu Grunde liegen, dass die sinnliche Erkenntniss auf sinnlichen
Anschauungen beruht, welche blos in den aprioristi-
schen Formen von Raum und Zeit und in reinen Verstandesbegriffen
(= Kategorien, wie Allheit, Einheit, Realität, Kausalität
, Substanz u. s. f.) möglich sind. Vermöge der sinn-

*) Abbe Etienne de Condillac (geb 1715 zu Grenoble, f 1780) zog
aus dem Locke'schen. Empirismus die letzten Consequenzen und lehrte (sowie
David Hume, geb. 17II zu Edinburg, f 1776, den vollendeten Skepticismus
vertrat und das Selbstbewusstsein als blosse Illusion erklärte) den reinen
Sensualismus, der nur eine QueUe der Erfahrung kennt: die Sensation,
die äussere Wahrnehmung aber und alle Vorstellungen aus der Umbildung
von Sinnen Wahrnehmungen (sensations iransformees) hervorgehen lässt. Die
ethischen Consequenzen aus diesen erkenntnisstheoretischen Lehren zog Claude
Adrien Helvelius (geb. 1715 zu Paris, f 1771), der als einziges Motiv des
sittlichen Handelns die Selbstliebe und als Quelle aüer geistigen Vorgänge
das Streben nach sinnlicher Lust hinstellte. — Man sieht, wie aus verfehlter
, theoretischer Vernunft - Erkenntniss bedenkliche, moralische Ver-
irrungen hervorgehen können.


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