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Petrovo-Solovovo: Beobachtungen und Experimente etc. 541
geäussert habe, dass man ihn verdächtige (wie es scheint
mit Unrecht); und mehrere Tage später, am Tage nach
einer neuen Sitzung bei Herrn X, konstatirte Herr Pribitkow
beim Aufstehen das Verschwinden des Fadens, welchen er
am Abend vorher auf seinen Schreibtisch gelegt hatte. Er
machte davon Sambor Mittheilung, welcher ihm antwortete,
er habe ihn in Stücke zerschnitten und schliesslich hinzufügte
: „Ich hatte diese Nacht nicht geschlafen, und war
sehr aufgeregt; als sich plötzlich der Knoten auf meinen
Knieen vorfand, habe ich ihn zerrissen/1
Das war das aussergewohnliche Ende einer Episode,
die selbst nicht weniger ausserge wohnlich war. Auf den
ersten Anschein kann die Zerstörung des Fadens durch
das Meaium als ein ernstes Indicium gegen ihn und gegen
die Authenticität des Phänomens angesehen werden. Meine
Meinung ist jedoch, dass ein Schluss dieser Art vorzeitig
wäre. Dass die Episode verdächtig scheint, ist gewiss; aber
man muss sie nicht beurtheilen, als ob sie den ganzen Werth
der Thatsache auf Null reduzire.
Sambor hat in dieser Hinsicht seitdem grosse Portschritte
gemacht; aber zu jener Zeit war er sehr capriciös,
sehr aufgeregt, sehr phantastisch, Herr Pribitkow weiss
davon zu sagen. Er ist thatsächlich manchmal fähig, seltsame
Dummheiten zu begehen — was sonst ausserhalb
seines Charakters liegt —, und aus purer Nachlässigkeit
oder Halsstarrigkeit Dinge zu machen, die seinen Interessen
zuwider sind. Kurz, er war damals, — jetzt wenigstens
scheint es mir so, — ein phantastisches, starrköpfiges, nervöses
Wesen, das mit einem anderen Massstabe gemessen werden
musste, als ein gewöhnlicher Sterblicher. Ich gebe also zu,
dass er sicherlich den Faden einfach in Aufregung und
ohne Hintergedanken vernichtet haben kann, behaupte aber
ganz entschieden, dass diese Thatsache das Phänomen
durchaus nicht entwerthet. Was den „Apport" des Fadens
auf seine Kniee betrifft, so braucht man das ja nicht zu
glauben.*)
Wenn man diesen Umstand bei Seite lässt, wird man,
wie ich glaube, anerkennen müssen, dass die Bedingungen
des Experimentes einen Betrug unwahrscheinlich machten.
Eine Vertauschung des Fadens war thatsächlich ausgeschlossen
, weil drei der anwesenden Personen ihre Namen
auf das Stück Karton geschrieben hatten, woran die Enden
des Fadens befestigt waren. Wenn man also nicht seitens
*) An sich wäre doch dies nicht wunderbarer als das Knüpfen des
Knotens selbst; es könnte sogar Beides noch animistisch durch Exteriorisation
der Willens- resp. Bewegungskraft des Mediums erklärt werden. — Red.
Psychische Stadien. September 1900. 35
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