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Kossuth: Das Newton'scbe Gesetz als Grundprinzip etc. 553
auch auf Kosten der Wahrheit. — Ich bilde mir daher
nicht ein, etwas durchaus „Neues44 oder „nie Dagewesenes"
gefunden zu haben; vielmehr glaube ich, dass die höchsten
Wahrheiten des menschlichen Erkennens, das heisst: die
obersten Gesetze sowohl der materiellen oder physischen,
wie auch der geistigen oder metaphysischen Welt, — welche
im Grunde vollkommen identisch sind, — schon längst
gefunden und hauptsächlich in den Werken Newton'^,
Kaufs und Schopenhauers niedergelegt sind. Meine Arbeit
will nur ein bescheidener Kommentar zu den unsterblichen
Werken dieser grossen Denker sein; ich halte
aber solche Kommentare für höchst nothwendig, denn
ich habe viel wissenschaftliche, besonders naturphilosophische
Bücher gelesen, die geschrieben worden sind und Hypothesen
aufstellen, als wenn Newton, Kant und Schopenhauer
nie existirt hätten, — manchmal sogar, als wenn die
Grundwahrheiten der Mathematik und Physik in Vergessenheit
gerathen wären. Ich muss sogar sagen, dass
dies bei fast allen neueren philosophisch-wissenschaftlichen
Werken der Fall ist, sowohl der materialistischen wie der
idealistischen oder spiritualistischen Richtung. Ueberhaupt
glaube ich in meiner Schrift darthun zu können, dass der
Streit des „Materialismus44 und „Idealismus44 ein Unsinn ist
und strenggenommen jedes Grundes entbehrt, indem er nur
dadurch möglich ist, dass man eben die genannten Denker
und die Grundprinzipien der positiven Wissenschaft nicht
genügend studirt, nicht verstanden hat oder auch nicht verstehen
will, weil man stark an Originalitätssucht und wohl
auch ein wenig an Grössenwahn leidet» Wer mir etwa den
Vorwurf machen wollte, dass ich selbst an „Autoritätssucht44
leide, der würde sich gewaltig irren; denn erstens, anstatt
zu sagen: „als wenn Newton, Kant und Schopenhauer
nie existirt hätten,44 — hätte ich gerade so gut sagen
können: „als wenn die Grundgesetze des Denkens, der
mathematischen und physischen Wissenschaften noch unbekannt
und nicht längst festgestellt wären; zweitens, eben
deshalb ist es gleichgiltig, ob ich das Gesetz nenne oder
denjenigen, der es g e funden (aber nicht e r funden), der es
erkannt (nicht aber gemacht) hat«
Ja, mir scheint, man begnügt sich heutzutage nicht
mehr damit, dass man die Naturgesetze sucht und findet,
man will welche erfinden; man will nicht mehr die Gesetze
der Natur erkennen, was auch soviel sagt, dass
man sie nicht anerkennen will, man will vielmehr Naturgesetze
machen, d. h. man will der Natur Gesetze vorschreiben
. Freilich wird dieses Streben — beinahe hätte
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