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556 Psychische Studien. XXVIh Jahrg. 9. Heft (September 1900.)
Aeußserungen einer und derselben Kraft, eines Strebens
oder Wollens, mit einem Worte: die Welt ist ein einziger,
zusammenhängender Organismus, insoweit sie frei ist
in den Umwandlungen desselben, in den Abänderungen der
Erscheinungsformen; insoweit aber mit jeder Aenderung
auch das Verhältniss des räumlichen und zeitlichen oder
des Objektiven und Subjektiven nothwendig, nach bestimmten
Gesetzen ein anderes werden muss, d. h. insoweit
die freie Thätigkeit nothwendige Folgen hat, so ist
die Welt zugleich ein Mechanismus. Damit will ich
nur sagen , dass „Organismus" und „Mechanismus" für die
Welt als ein Ganzes nichtssagende, vollkommen gleichgültige
Unterscheidungen sind. Die Welt ändert sich selbst fortwährend
, hat also die Selbstbestimmungskraft, was
das Hauptmerkmal eines Organismus ist; — sie
ändert sich aber nach bestimmten Gesetzen, ist
somit ebenso gut ein Mechanismus. Die Welt kann
die Ursachen an Extension und Intension (räumlich und
zeitlich) x-beliebig bestimmen, sie kann die Ursache in den
verschiedensten Gestaltungen hervorbringen; sie m u s s aber
überhaupt welche erzeugen, soll überhaupt eine Welt oder
ein Etwas da sein. Die Wirklichkeit schliesst den Begriff
der Möglichkeit ein und man kann getrost folgern, dass
die UnWirklichkeit den Begriff der Unmöglichkeit ein-
schliesst; d. h. die Wirklichkeit oder eine Welt überhaupt ist
nothwendig da, sie ist aber nicht nothwendig in dieser oder
jener Form da, — ist also, was die Art ihrer Wirklichkeit
anbelangt frei, aber in jeder Art bleibt das Prinzip oder das
Gesetz der Wirklickkeit einunddasselbe. Sagen wir gleich
hier: so wie diese unsere Welt, diese unsere Wirklichkeit
prinzipiell durch Raum und Zeit bedingt ist , so muss
eine jede andere Form der Welt oder der Wirklichkeit
irgendwie räumlich und zeitlich bedingt sein; und fügen
wir auch gleich hinzu, dass eine andere Art der Wirklichkeit
oder eine „andere Welt" durch ein anderes Verhältniss
des Räumlichen zur Zeit erzeugt wird. Um Missverständnissen
vorzubeugen betone ich, dass diese „andere
Welt", um Kants Ausdruck zu gebrauchen, nur eine andere
Anschauungsweise ist; d. h. weil der höchste Grad der Verschiedenheit
eine Gegensätzlichkeit ist, so wird eine andere
Welt dadurch bestimmt, dass in ihr das Räumliche zur Zeit
im umgekehrten Verhältnisse steht, d. h. dass dieses
Verhältniss unserem Verhältnisse des Raumes zur Zeit
gerade entgegengesetzt ist; keineswegs kann aber
eine andere Welt durch ein gänzliches Fehlen
des Raumes und der Zeit bestimmt werden, denn
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