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602 Psychische Studien. XXVII. Jahrg. 10. Heft (Oktober 1900.)
eine phylogenetisch befestigte Disposition zum tiefen Somnambulismus
gegeben ist. Erst dann wird meines Erachtens
diese Methode ihre volle und erstaunliehe Fruchtbarkeit
entfalten können. Leider können wir der Kürze der Zeit
wegen die detaillirten Unterlagen hierzu nicht vorbringen.
Noch eine zweite wichtige Forderung müssen wir anreihen
. Sie betrifft eine weitere psychologische Methode,
welche zwar bisher noch nicht über bescheidene Anfänge
hinausgekommen ist, die aber zur Ergänzung der obigen
unentbehrlich zu sein scheint, ich meine die komparative
Methode. Ein Blick auf die so eng benachbarte Anthropologie
zeigt uns, dass auch von dieser Methode einst gute
Resultate zu erwarten sind. Zwar ist die komparative
psychologische Methode bisher in der Anthropologie nur als
Hilfsmittel und ohne eigenen Endzweck in Anwendung; aber
die mannigfachen Resultate, welche dort erzielt werden,
lassen hoffen, dass sie hier, wo ihr ein Endzweck gesteckt
ist, noch beträchtlich mehr leistet. Ansätze, welche zu einer
solchen Erwartung berechtigen, sind in der deutschen, englischen
und französischen Literatur reichlich nachzuweisen.
Treten wir aus der formalen Eintheilung der Methoden,
welche wir bisher inne gehalten haben, heraus und supponiren
das der vergleichenden Methode inhaltlich Entsprechende, so
können wir zur besseren Verdeutlichung dieses Postulates
sagen: dieselbe wird inhaltlich das werden, was Lazarus und
Steinihal in Deutschland mit ihrem Streben nach einer
„Völkerpsychologie* gewollt haben und was Le Bon mit seiner
fruchtbaren Theorien- und Hypothesenbildung rassenpsychologischer
Art in Frankreich entrirt hat. Nur wird die
sorgfältig ausfüllende Detailarbeit diesen ersten grosszügig
angelegten Richtversuchen nachzufolgen haben,
Dem Problem des Somnambulismus liefert alsdann die
komparative psychologische Methode allgemeine Ergebnisse,
welche Normen schaffen für das oben geforderte isolirte
Studium deklimatisirter Versuchspersonen aus fremden Rassen.
Mit anderen Worten, die komparative Methode wird die
Leuchtthürme entzünden, welche den Kurs der mittelbaren
Beobachtung unter künstlichen Bedingungen vor Fehlerklippen
bewahren. —
Damit ist mein Thema erledigt. Gestatten Sie mir noch
einige persönliche Bemerkungen. Um Forderungen, wie
diejenigen, welche wir soeben skizzirt haben, praktisch erfüllen
zu können, reicht heute die Initiative kleinerer
Forscherkreise, wie sie sich in den psychologischen Gesellschaften
der europäischen und einiger amerikanischer Hauptstädte
herausgebildet haben, nicht mehr aus. Das Material,
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