http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1900/0607
604 Psychische Studien, XXVII. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1900.)
Deleuze, Charpignon, Petetin, Hufe/and, Wolfart, Kluge, Werner,
von Baader"* und Ferner* s Schriften über den Somnambulismus,
von Kieser's „Archiv für thierischen Magnetismus", von
Haddok's „Emma"%i Gar keine; sie sind für die Mondbewohner
geschrieben worden, aber nicht für Amerika. Kennt und
studirt er etwa Aksakow\\ „Animismus und Spiritismus" und
E. v. Hartmann's Gegenschriften? Nein, ebensowenig wie er de
Rochas bahnbrechende Untersuchungen kennt. Wie kann
er also am lebenden Menschen den Unsterblichkeitsbeweis
führen? Seine totale Ignoranz in Bezug auf Bewusst-
seinspsychologie und transscendentale Psychologie, hindert
ihn daran und er setzt sich bei Erklärung der spiritistischen
Phänomene in direkten Widerspruch mit allen europäischen,
anerkannten Autoritäten auf diesem Felde. Er rühmt sich,
viele Seancen besucht zu haben . . als ob es darauf ankäme
! Nicht auf ziel- und planloses Experimentiren, resp.
den gedankenlosen Besuch von Sitzungen, — auf exaktes
Experimentiren, auf das Sichten der Spreu vom Weizen und
die denkende Bearbeitung der Resultate kommt es an.
Dafür aber* besucht man regelmässig Seancen; wird (durch
Zufall oder Absicht) ein Medium entlarvt, so geht man zu
einem anderen. Doch da man die Vorstufen des Spiritismus
nicht kennt, versteht man auch diesen selbst nicht; und
wenn man 50 Lebensjahre hindurch täglich in eine Seance
liefe! Um ein Zfe&i/sches Wort zu variiren; „Wer nur den
Spiritismus versteht, versteht auch diesen nicht."
Verstände man ihn, so würde man wissen, dass es sich
dabei um die offene Cardinalfrage handelt: ob wir den
Willen Verstorbener überhaupt beeinflussen können; und man
würde statt auszuklügeln, aus was für Weltstoff die Geister bestehen
, resp. eine neue Theorie der Geister zu geben, vielmehr
alles daran wenden, das Erscheinen bestimmter Geister zu
veranlassen und so endlich (nach der von deutschen Denkern
festgestellten Methode) in exakt wissenschaftlicher Weise
Identitätsbeweise bringen. Das wäre Pflicht und
Schuldigkeit; denn, da der Amerikaner über ein weitaus
besseres Medienmaterial verfügt, als wir, so hätte er dazu
das Od bestätigende Experimente (vergl. „Psych. Stud." 1899, S. 307,
367, 432 und 649 ff.) und bemerke vor Allem: dass der amerikanische
Spiritismus von diesem wissenschaftlichen Streite um den mühevollen Od-
nachweis gar nichts weiss; er läugnet das Od nicht etwa aus den dort
berührten Gründen sondern aus der instinktiven Ahnung heraus, dass
durch den Nachweis photographirbarer menschlicher Radiationen seine liebe
Geisterhypothese erschüttert werden konnte. Aus demselben Grunde steht er
ja der Doppelgängern, ja selbst den ftochas'schen Experimenten ablehnend
gegenüber. Das Urtbeil, das unser Herr Redakteur schon im März-Helt 1899,
p. 160 über den amerikanischen Spiritismus gefällt hat, ist also nur zu wahr.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1900/0607