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606 Psychische Studien. XXVII. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1900.)
sich (wie posthypnotische Suggestionen) realisirende Monoideismen
durchaus nicht erschöpft wird; oder mit einem
Worte: dass wir durch den Spiritismus nicht das eigentliche
Jenseits kennen lernen, sondern nur Phänomene, die blos
Berührungspunkte zwischen Diesseits und Jenseits darstellen
. —
Aus dieser rührenden Unkenntniss erklärt es sich, dass
mir eines Tages eine an sich interessante, complicirte Geschichte
erzählt wurde, von der ich blos erwähnen will, dass
das Medium durch einen Geist beeindruckt wurde, der bei
Lebzeiten einer Wahnsinnigen angehört hatte, die durch
Verbrennen geendet hatte. Das Medium gerieth in denselben
Zustand, wie eine Schwerverbrannte: Gliedmassen
fehlten, u. s. f. Triumphirenden Lächelns meinte man daraus
folgern zu können, dass die Geister im Jenseits auch Brandwunden
hätten, auch Krüppel wären. Aber jener Fall beweist
nur, „dass der Verstorbene in seiner Erinnerung an das
irdische Leben es so vorstellt, wie es war . .; es folgt
daraus nur, dass, wenn der Tod einer Person mit einem
monoideistischen Zustande verknüpft war (des Ertrinkens,
Verbrennens u. s. f.), die zurückkehrende Erinnerung ihn
wiederspiegelt, und dass er sich auf das Medium überträgt
und so äussert, wie die einem Hypnotisirten ertheilte
Suggestion, er liege im Wasser, oder stehe mitten in einem
Brande."*) — Weil man ferner, wie schon erwähnt, nicht
begreift, dass die Phantome in Söancen, aus ihrem eigentlichen
Dasein herausgetreten und in ein anderes fremdes
zurückgetaucht sind, so begreift man nicht die Wertlosigkeit
ihrer Aussagen, betreffs des Jenseits, Todes u. s. f.
Man legt grossen Werth auf die Aussagen von Phantomen;
man glaubt es sofort, wenn sie sich für Philosophen, Mathematiker
, Propheten, oder Eltern, Freunde u. s. f. ausgeben.
Als ich gegen diese Laienauffassung ankämpfen wollte, wurde
mir von dem ehrwürdigen Nestor der Brooklyner Spiritisten
gelassen das grosse Wort gesagt: „Sie sind überhaupt kein
Spiritist"; welches Paradoxon sich schliesslich begreifen lässt,
wenn man bedenkt, dass der amerikanische Spiritist zur
Erklärung aller mystischen Thatsachen blos ein Erklärungsprinzip
kennt: die Geister. — Wie weit dieser
Köhlerglaube geht, mag Folgendes illustriren: Eines Tages
wird über die Durchdringlichkeit der Materie (Zöllner)
gesprochen; da sagt ein Herr, der sehr viel experimentirt
hatte in seinem Leben, dass Geister wohl durch Mauern,
Thüren u. s. f. hindurch könnten, aber nicht durch Glas-
*) duPrel: „Magie als Naturwissenschaft" („Magische Psychologie1*) V, 188.
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